Lebensschlenker
Interview über Solomutterschaft und unerfüllten Kinderwunsch am 25.02.2025
mit Nova Meierhenrich
Lebensschlenker – Warum ein Buch über unerfüllten Kinderwunsch?
Lebensschlenker – Warum ein Buch über unerfüllten Kinderwunsch?
Ich berate nun seit einigen Jahren Solomütter/-eltern in allen Phasen. In den meisten Fällen sind diese Menschen (noch) nicht schwanger. Und nicht wenige bleiben kinderlos. So auch Nova Meierhenrich. Leider verschwinden diese Menschen auch wieder aus meiner Community, verständlich.
Doch ihr seid nicht allein!
Hier ein paar Zahlen und Fakten aus 2020 vom BMFSFJ (Seite 7): „Ein Fünftel aller Frauen eines Jahrgangs bleibt am Ende der als gebärfähige Phase geltenden Altersspanne zwischen 15 und 49 Jahren ohne leibliches Kind. „Die sogenannte endgültige Kinderlosenquote (Anteil der kinderlosen Frauen an allen Frauen zwischen 45 und 49 Jahren) stieg zwischen 2008 und 2018 von 17 Prozent auf 21 Prozent. […] Frauen mit akademischem Bildungsabschluss (Bachelor, Master, Diplom, Promotion) sind besonders oft kinderlos.“ Nicht alle Behandlungen mit Hilfe medizinischer Unterstützung enden in einer Schwangerschaft. Im DIR (dem deutschen IVF-Register) heißt es auf S. 4: „Die Schwangerschaftsraten pro Embryotransfer im Frischzyklus betrugen im Jahr 2023 31,0%, die Schwangerschaftsraten im Kryozyklus pro Embryotransfer betrugen im Jahr 2023 30,7% und sind damit nahezu gleich. […] Die Geburtenraten pro Embryotransfer betrugen 2022 im Frischzyklus 22,5%, im Kryozyklus 22,1%.“ Nicht alle Menschen wünschen sich ein Kind, aber nicht für alle Kinderlosen ist es eine Entscheidung gegen ein Kind, 2023 verkündete die WHO: 1 von 6 Menschen weltweit haben einen unerfüllten Kinderwunsch.
Lebensschlenker auch für Singles
Natürlich kann dies auch Alleinstehende treffen. Nicht wenige brechen ihre Behandlung nach einer bestimmten Anzahl von Versuchen ab. Manche halten sich an vorher klar definierte Grenzen (das ist übrigens ein Teil der psychosozialen Beratung). Viele Wunscheltern haben im Laufe ihrer Behandlungsgeschichte die ein oder andere Grenze verschoben (was ok ist, solange dies eine kontrollierte Entscheidung ist).
Die Entscheidung nach einem manchmal wirklich langen Prozess ist niemals eine leichte. Meistens tauchen die Frauen oder Personen dann ab, raus aus meinem Beratungsumfeld, raus aus der Community, beschäftigt mit Verarbeitung, Trauerarbeit und oder der Umsetzung möglicher Perspektiven. Umso mehr freue ich mich darüber, dieser Zielgruppe endlich auch ein Angebot schaffen zu können.
Transparenzhinweis: Da ich in dem hier besprochenem Buch selbst ein Kapitel verfasst habe, möchte ich euch unbedingt dieses Interview vorstellen.
Ich habe Nova gefunden, aber eigentlich vielmehr hat Nova mich gefunden. Und mit diesem Artikel geben wir hier dieser Gruppe von Menschen ein Gesicht, ein Thema, die erforderliche Wichtigkeit, eine Stimme. Für dieses Interview habe ich zuvor Fragen in der Community gesammelt. Ich stelle hier einige Auszüge zur Verfügung, das ganze Interview kannst du hier kostenlos ansehen. Ich habe ein paar kleine Nachträge hinzugefügt und wichtige neue Inhalte aktualisiert.
Warum eigentlich Lebensschlenker?
Ich bin Nova Meierhenrich und meines Zeichens wahrscheinlich am ehesten als Moderatorin und Schauspielerin bekannt, seit einigen Jahren auch als Autorin. Und wir haben uns kennengelernt durch mein drittes Buch, welches am 13. März erschienen ist. In dem Buch da geht es um die Wege und Umwege zum Wunschkind und, wie man auch in einer Sackgasse dann am Ende glücklich werden kann. […]
Lebensschlenker ist eigentlich definiert als ein Schlenker, als eine kurze Abweichung von einem Weg, der einen aber dann hinterher wieder auf den Weg zurückführt. Ein Schlenker, runter von einem Weg, von einer Straße, ein kurzes Abweichen. Ich fand das Wort einfach passend. Das begleitet mich auch schon einige Jahre, denn im Endeffekt ist es ja der Weg zum Glück, zum persönlichen Glück, zu dem, was man sein persönliches Glück nennt oder sozusagen was man da zu außerkoren hat und
auch geplant hat. Und das ist in vielerlei Fällen halt das Wunschkind, der Wunsch, Mutter zu werden, das war bei mir nicht anders.
Und es gab viele Schlenker auf diesem Weg bei mir, die mich von diesem Weg auch abgebracht haben, aber dann doch nicht abgebracht haben vom Weg zu meinem persönlichen Glück, denn ich bin dann wieder auf der Straße gelandet und mein persönliches Glück sieht heute vielleicht anders aus, aber die Schlenker, die mich da kurz nach rechts und links geschleudert haben, die haben mich nicht davon abgebracht, trotzdem Erfüllung in meinem Leben zu finden, auch wenn es vielleicht nicht
die war, die ich am Anfang geplant hatte.
Ein Lebensschlenker zur Solomutterschaft in Dänemark
Als ich das erste Mal ausgesprochen habe, dass das ein Weg für mich sein wird oder könnte, da war ich Anfang 20. Einfach, weil ich es aus Dänemark kannte und viel viel Zeit meines Lebens da verbracht habe. Und dort ist Solomutterschaft oder überhaupt Kinderwunschbehandlung ein sehr offen diskutiertes Thema, ein sehr frei besprochenes Thema auch zwischen Frauen. Es ist nicht mit einem Tabu behaftet und gerade Solomutterschaft wird in Dänemark auch vom Staat unterstützt. Von
daher sind die Frauen viel freier in ihrer Entscheidung. Können sich erstmal ausbilden, weiterbilden, auf beiden Beinen stehen und wenn sie dann entscheiden, Mutter werden zu wollen und der Partner vielleicht gerade nicht da ist, der dafür nötig ist, dann übernimmt der Staat auch die Kosten dafür, weil sie sagen, „Ja, auch das möchten wir gerne unterstützen.“
Mit diesem Grundwissen und mit diesem Wissen um all das habe ich Anfang meiner 20er Jahre schon gesagt und das ist 30 Jahre her:
„Wenn meine große Liebe nicht zum richtigen Zeitpunkt in meinem Leben ist, sodass das dann vielleicht als Familie hinhaut, möchte ich die Entscheidung, Mutter zu werden aber nicht von einem Mann abhängig machen und von meiner Lebenssituation, (sondern dann wusste ich damals schon), würde ich das alleine machen.“
Damals hatte ich niemanden in Deutschland, den ich kannte, der auch nur darüber geredet hat. Ich habe auch keinerlei Informationen in Deutschland dazu gefunden. Ehrlich gesagt, brauchte das vielleicht Anfang der 20er auch noch nicht, weil ich ja noch gar nicht aktiv dabei war. Aber als es dann losging, da war das immer noch ein riesen Tabu in Deutschland – man durfte sich gar nicht behandeln lassen in Deutschland. Es war also ein Weg, der mich ins Ausland getrieben hat, in meinem Fall nach Dänemark, weil die rechtliche Grauzone in Deutschland medizinisch noch so groß war, dass man keinen Arzt gefunden hätte, der einen behandelt oder auf dem Weg begleitet, oder vor allen Dingen befruchtet hätte. Meine Vorbilder kamen alle aus dem kleinen skandinavischen Nachbarland. In Deutschland hatte ich niemanden, der das gemacht hatte, niemanden, der diesen Weg angesprochen hätte, keine öffentlichen Informationsstellen.
Ständige Dänemarkaufenthalte – Kinderwunschbehandlung oder was war die Erzählversion?
Ich bin ehrlich gesagt zur Meisterin der Illusion geworden nach außen. Ich habe es nicht öffentlich gemacht, auch nicht in meinem engsten Kreis. Ich habe es meiner Mutter erzählt. Ihr habe ich es aber auch schon mit Anfang 20 erzählt. Sie hat damals schon gesagt: „Du wenn das dein Weg ist, ich bin da, also sag mir, wenn es losgeht. Ich werde alles tun, dich zu unterstützen, soweit es in meiner in meiner Macht und Kraft steht.“ Aber sie hat auch immer schon gesagt: „Fühl dich nicht unter Druck gesetzt. Du hast drei Brüder, ich habe 5 Enkel, du musst diesen Weg nicht wegen mir gehen.“ Ich habe es ihr erzählt und ich habe es einer Freundin (kurz bevor es zur ersten Behandlung ging) erzählt, einfach nur, weil ich es irgendwo aufgehoben wissen wollte, aber ansonsten habe ich es niemanden erzählt und ehrlich gesagt viele Menschen aus meinem Umfeld werden es durch dieses Buch überhaupt erst erfahren.
Ein Aspekt war aber sicherlich dabei auch mein öffentlicher Beruf. Ich habe schon einmal in einer privaten Angelegenheit (mein Vater hat sich das Leben genommen, leider nach schwerer Krankheit vor einigen Jahren und damals ist diese Geschichte gegen meinen Willen an die Öffentlichkeit gezerrt worden von Medien). Ich habe mich damals wahnsinnig hilflos gefühlt, weil man mir diese Geschichte entrissen hat und weil man mir dieses Privateste des Privaten entrissen hat. Mein Vater war lange
krank, was ich 18 Jahre gehütet und beschützt habe. Und ich wollte auf keinen Fall, dass das noch mal passiert und, dass mein Kind sozusagen schon bei der Geburt damit konfrontiert werden würde, öffentlich, wie es entstanden ist. Denn das ist etwas, was ich meinem Kind später selbst erzählen sollte. Es ist meine und seine Geschichte. Ich war ja zu dem Zeitpunkt fest davon überzeugt, dass es dieses Kind geben wird. Mir war völlig klar: „Das möchte ich meinem Kind alles selbst erzählen und dann kann es selbst entscheiden, wie es damit umgeht.“ Aber nicht die Medien. Ich will kein „darüber Spekulieren“, warum ich jetzt einen dicken Bauch habe und von wem und warum. Und deshalb habe ich es keinem erzählt.
Na, wann ist es denn bei dir soweit?
Ich kann mich an kein Interview erinnern in letzten 30 Jahren, wo das nicht gefragt wurde. Eher genau das Gegenteil. Ich kann mich fast gar nicht erinnern, dass das mal nicht gefallen ist. In den 90ern habe ich Kinder und Jugendprogramm moderiert, da war das der Aufhänger. Später habe ich ein Kindermädchen gespielt, dann war es das. Oder ich kam in die 30er und es hieß: wird doch langsam Zeit!“ – einen Grund zu fragen gab es immer. „Hey, kannst du dir denn vorstellen auch Selbst Kinder zu haben? Willst du Mutter werden?“
Dazu bin ich sehr karitativ engagiert, seit vielen Jahren als Schirmherrin der „McDonald´s Kinderhilfestiftung“ oder z.B. oder auch als Gründerin meines eigenen Vereins „HerzPiraten“, dann heißt es da natürlich immer wieder:
„Na und, keine eigene Kinder, wie ist es denn so?“
Ich kann mich an keinen roten Teppich erinnern, wo man mich nicht vor laufender Kamera genau das gefragt wurde und wo man immer innerlich ein bisschen zusammenfällt und denkt: „Wow, was mache ich jetzt?“ Und ich habe mich immer für Lächeln entschieden. Und obwohl es später Situationen gab, wo ich auf dem Teppich gelächelt habe, „Ja klar will ich Kinder logo, aber ist noch nicht so weit.“ Und wusste im Hinterkopf, dass in meiner Handtasche eine Spritze ist und dass ich die mir zwei Stunden später während der Premiere irgendwo heimlich auf dem Klo setzen muss. Also das waren schon absurde Situationen und ich fands manchmal harten Tobak. Deshalb wollte ich das Thema auch einfach endlich mal raus in die Welt schicken auch zur Diskussion und zum Austausch und zur Sensibilisierung, wie übergriffig wir eigentlich im Bezug uns auf das Thema Kinderwunsch Frauen gegenüber verhalten. Frauen untereinander auch und das finde ich eigentlich am schlimmsten. Die Außenwelt, die Gesellschaft und natürlich auch Männer. Aber eben auch unter Frauen. „Hey, du weiß ja gar nicht, was du verpasst jetzt. Mach doch mal, leg doch mal los. Ich wusste gar nicht, wie glücklich ich sein kann, bis ich endlich ein Kind hatte.“ All das übt so viel Druck auf das Gegenüber aus.
Das Buch „Lebensschlenker“ ist eigentlich aus einer Wut im Bauch heraus entstanden. Aus einer Wut über all diese Übergriffigkeit und den Schmerz den sie bei Frauen anrichtet. Um dieses große Thema nach außen zu bringen, dass wir mal alle drüber nachdenken:
„Warum verhalten wir uns so? Ist es eigentlich okay, sich so zu verhalten? Warum lassen wir Frauen nicht ihre eigenen Wege gehen? Das ist ihre Entscheidung. Ihr Weg!“
Aber das konnte ich natürlich nicht tun, ohne meine eigene Geschichte in die Waagschale zu werfen, […] Und so ist „Lebensschlenker“ dann über die letzten Jahre entstanden.
Gibt´s da irgendwie einen taktvollen Umgang?
Ich glaube wir sollten verstehen, dass Kinderwunsch ein sehr privates Thema ist und die Frage danach nicht nur die Frage ist, ob du ein Kind möchtest. Es ist im Endeffekt auch die Frage: bist du eigentlich gesund? Kannst du eigentlich Kinder kriegen? Ich frage dich danach, hast du eigentlich genug Geld, ein Kind großzuziehen? Hast du stabile soziale Verhältnisse, in denen du lebst? Möchtest du eigentlich Karriere machen? Wie sieht dein Lebensentwurf aus? Also, ich frage dich ja mit dieser einen Frage so unfassbar viele Sachen auf einmal und sind wir mal ehrlich, das sind die privatesten Fragen, die man eigentlich jemand stellen kann. Und das Absurde finde ich, dass es sich total eingebürgert hat jemanden nicht nach Geld zu fragen – das macht man nicht. Aber das ist ok?
Du würdest auf einer Party nicht hingehen und sagen: „Na was verdienst du denn jetzt im neuen Job?“ oder „So und was zahlt der dir dann?“. Das ist gesellschaftlich total akzeptiert. Über Geld redet man nicht, da fragt man nicht nach, das ist unanständig. Aber man darf nach dem Bauch der Frau fragen, nach ihrer Gesundheit, nach ihrer Aufgestelltheit im Leben, nach ihren Wünschen, Träumen gesundheitlichen Verhältnissen. Dafür zu sensibilisieren – das war mein Wunsch in dem Buch „Lebensschlenker“. Es ist ein Thema, über das wir uns austauschen müssen!
Das ist wichtig, um auch das Tabu rauszunehmen. Man muss immer bitte überlegen: „Wer steht denn da vor mir? Wie gut kenne ich denn die Person?“. Wenn meine beste Freundin mich so etwas fragt oder mit mir über dieses Thema reden will, dann kennt sie mich. Sie weiß in welcher Lebenssituation ich bin. Sie weiß sensibel, wo sie hingehen kann oder nicht. Mein Chef weiß das nicht. Was fällt ihm ein, mich zu fragen? Oder diese Schulterklopfer: „Ach, Frau Meierhenrich, das wird schon noch, sie sind ja noch jung und da kommen schon noch Kinder“, wo auch gleich erstmal unterstellt wird, dass ich ja wahnsinnig unglücklich in meinem Leben sein muss, weil ich ja keine Kinder habe. Das ist ja dann schon mal die Grundvoraussetzung. Also, ich kann ja gar nicht glücklich sein, weil ich ja nicht Mutter bin. Oder Small Talks, auf Partys, wo dann das Thema schon losgeht, sobald du mal ein Glas Wasser in der Hand hast, dass jemand von der Seite kommt und so: „Na, schwanger, Braten in der Röhre…“.
Wir müssen uns einfach mal klar machen, in welchen Situationen ist es richtig, jemanden anzusprechen, wie gut kenne ich diese Person, habe ich das Recht, sie anzusprechen und dann auf welche Art und Weise. Und da ist leider noch ganz viel Arbeit nötig.
Lebensschlenker – Wir brauchen Vorbilder für alle Wege
Und deshalb war es mir auch so wichtig, dass nicht nur meine Geschichte erzählt wird. Du hast ja auch deine Geschichte z.B. für das Buch beigesteuert, genauso wie neun andere tolle Frauen.
Namen der Autor*innen
- Paula Lambert
- Nina Bott
- Annica Hansen
- Ann Christine Gebhardt
- Katharina Horn
- Susanne Priem
- Christine Wagner
- Mareike Fell
Und mir war ganz wichtig, die Vielfalt dieser Wege aufzuzeichnen, all diese Möglichkeiten, diese Vielfalt an Wegen zum Kind oder auch weg vom Kind, ob freiwillig oder bewusst. Auch die Entscheidung „Ich möchte kein Kind, ich möchte nicht Mutter werden“ gehört ja genauso dazu und erzähle ich in meinem Buch, wie „Ich kann kein Kind bekommen, weil ich z.B. gerade Krebs bekommen habe“. Aber auch die vermeintlich perfekte Mutter, die vier Kinder hat, die trotzdem von der Gesellschaft Erwartungshaltungen entgegengeschleudert bekommt in ihrem Leben, wo sie manchmal verzweifelt. Ich habe versuch, ganz viele verschiedene Frauen zu Wort kommen zu lassen mit ihren ganz individuellen Wegen und möchte einfach nur sagen: Schaut her! All diese Wege sind total richtig, weil sie für die Frau richtig sind!
UND: All diese Wege sind auch nicht ohne Umwege entstanden und es lohnt sich wieder aufzustehen, wenn man hingefallen ist. Es lohnt sich weiterzulaufen, auch wenn vielleicht der erste Lebenswunschtraum nicht in Erfüllung gegangen ist. Es lohnt sich, sich nicht davon aus der Bahn werfen zu lassen, sondern es wird etwas anderes warten, auch wenn man das in dem Moment noch nicht weiß und auch wenn man es in dem Moment nicht hören will, weil man hat keinen Plan B hat.
Man hat einfach keinen, man ist seit Jahren in dieser Spirale und das ist der Plan. Ich hoffe, dass es ein bisschen Mut macht, dass es sich lohnt, wieder aufzustehen, sich zu sammeln und zu schauen, was das Leben sonst noch bereithält. Wenn das Buch das schafft, Mut zu machen und zu zeigen, ich bin nicht allein mit meiner Situation, egal wie die aussieht, weil es gibt so viele Frauen, die in so viel ähnlichen Situationen sind, dann ist es eigentlich genau das, was ich damit erreichen will. Und, dass es Diskussionen anregt. Darauf freue ich mich am meisten. Ich hoffe, dass es Gespräche lostritt und dass Austausch stattfindet. Nur so kann man Tabus brechen, durch Kommunikation.
Aber wann ist richtige Punkt zu sagen, stopp, hier geht´s jetzt nicht weiter?
Ich hatte mir vorher kein Limit gesetzt. Ich hatte gespart, ich hatte eine gewisse Summe zurückgelegt und dachte, damit komme ich schon hin. Ich war überhaupt nicht auf dem Kurs, dass ich dachte, das würde jetzt endlose Versuche dauern und ich würde überhaupt an den Punkt kommen, wo ich das entscheiden muss.
Ich war gar nicht vorbereitet darauf, dass dieser Weg so lang werden könnte und dass er vielleicht nicht das Ergebnis hat, welches am Ende da war, nämlich nicht schwanger zu werden. Am Anfang gab es bei mir deshalb kein Limit, weil ich nicht dachte, dass ich an diesem Punkt komme. Als ich dann aufgehört habe, habe ich es aber vor dem letzten Versuch beschlossen.
Ich habe mir ganz klar gesagt:„Das hier ist der letzte Versuch“. Und das hatte zwei Aspekte. Der eine war finanziell. Es ging nicht mehr. Ich hatte das dreifache mittlerweile von all dem ausgegeben, was ich zurückgelegt hatte. Also ich war finanziell am Ende meiner Mittel. Ich hatte sechs Versuche und hätte mir den siebten nicht mehr leisten können. Und ich war physisch und psychisch am Ende. Ich konnte nicht mehr. Ich war einfach auch aufgerieben von dieser Zeit, in der man nur nach Uhr lebt. Wann ist die nächste Spritze? Wann muss das als nächstes? Man hat sein Leben so ein bisschen auf Pausetaste in diesen Jahren, weil man alles nur macht unter der Voraussetzung, dass nicht ABC eintritt. Also du verabredest dich nicht auf dem Urlaub in drei Monaten, weil dein Körper könnte ja sagen, dass genau das das
Wochenende ist, wo du dann jetzt wieder … und so habe ich mehrere Jahre gelebt. Ich habe beruflich auf Pausetaste gelebt, ich habe privat auf Pausetaste gelebt und diese ständige Achterbahnfahrt zwischen Hoffen und Enttäuschung zusätzlich zu dem, was das ja auch mit deinem Körper macht. Ich habe mich überhaupt nicht mehr wieder erkannt. Die Hormone hatten mich ganz schön geschrottet.
Ich habe mich überhaupt nicht mehr wohl in meiner Haut gefühlt. Ich hatte einen dicken Bauch, ich hatte überall blaue Flecken von den Spritzen. Ich war gar nicht mehr ICH! Ich war dünnhäutig, ich war launisch, ich war nah am Wasser gebaut. Ich war garantiert auch zu Freunden anders als sonst und habe garantiert echt Leuten auch in der Zeit vor den Kopf geschlagen, aber weil ich gar nicht anders konnte, weil ich selbst so gefangen war in meiner Bubble, in der ich mich so befunden habe. Und das musste aufhören, das wusste ich. Ich wusste einfach, das muss aufhören. Ich wusste einfach, das hier ist das letzte Mal und danach muss ein Schlussstrich gezogen werden, weil du dich sonst verlierst in diesem Kreis. Ich habe dann auch ein richtiges Loslassritual für mich initiiert, was ich in diesem Buch auch sehr genau beschreibe und ich brauchte das auch. Ich musste das richtig planen für mich als Gerüst, an dem ich mich langhangel, um da durchzukommen. Das ist aber sehr individuell. Ich glaube, das muss jeder für sich selbst gucken. Was ist mein Weg? Für mich war diese Struktur. die ich mir selbst auferlegt habe in diesem Loslassprozess, das was ICH brauchte.
Trauer und Trauerrituale im Kinderwunsch
Ich habe das auch so beschrieben im Buch, weil ich ja selbst auch Psychologie studiert habe. Es gibt ja diese verschiedenen Phasen der Trauer und des Loslassens. Im Endeffekt war es ähnlich. Ich habe diese Phasen alle komplett durchlaufen von der Wut bis hin zur Akzeptanz. Du bist ja auch erstmal erschöpft, dann bist auch wütend und das ist auch wichtig, dieses wütend sein. Ich wusste zwar nicht genau, auf wen ich wütend sein sollte, weil bei mir gab's so gar keinen Grund, warum das alles nicht geklappt hat. Und dann das Loslassen. Man macht am Ende einer Kinderwunschbehandlung wirklich alle Phasen durch, die man sonst in einem Trauerprozess auch durchmacht.
Und das ist ganz spannend, das so zu sehen. Und für mich war es vor allen Dingen ganz spannend es so zu sehen, weil ich das ja in der Theorie alles gelernt habe und genau darüber auch immer schon viel geschrieben und geredet habe. Ich konnte hinterher ganz genau die Phasen festmachen, wann ich mich wo befunden habe. Aber es ist ganz wichtig auch den Schmerz zuzulassen, weil das wissen wir auch alle, wenn man alles in sich reinfrisst und Schmerz nicht zulässt, es kommt ein Bumerang. Es bricht sich dann irgendwann frei und das kann auch Jahre später sein. Diese Trauerbewältigung ist ganz wichtig. Und nicht einfach zuschütten und vergraben, denn das rächt sich irgendwann. Man schleppt es mit sich rum und es ist wie so ein kleiner Tumor und irgendwann, irgendwann schafft er sich Raum. Man kann es einfach nicht weg ignorieren für immer. Das geht nicht, man muss es verarbeiten.
Große Sorge auch in der Beratung, die eigene Entscheidung bereuen?
Nein, nein, ich bereue weder, dass ich überhaupt den Weg gegangen bin, […] Ich bereue weder, dass ich es versucht habe noch, dass ich dann auch irgendwann einen Schlussstrich gezogen habe! Denn wenn ich es nicht ich versucht hätte, würde ich heute hier sitzen und dieses „Was wäre Wenn- Spiel“ in meinem Kopf spielen, weil ich nie wissen würde, ob es vielleicht nicht doch geklappt hätte. Genauso wenig wie ich jetzt weiß oder nicht weiß, ob es mit 20 geklappt hätte. Ich bin ja halt eine dieser Frauen, dieser kleine Prozentsatz, wo es wirklich keine medizinische Erklärung gibt. Ich werde auch nie ein Grund bekommen. Immer wurde gesagt: „Alles ist perfekt, wir können es uns selbst
nicht erklären, aber die Werte sind mega“. Das heißt, wäre ich mit 20 Mutter geworden? Keine Ahnung, auch diese Antwort werde ich nie bekommen.
Und einen Schlussstrich gesetzt zu haben, das bereue ich auch nicht! Die Gefahr ist groß, sich in diesem Strudel zu verlieren. Und indem ich das Eine losgelassen habe, hatte Anderes wieder Platz in meinem Leben. Und das ist ja auch ganz wichtig. Man muss ja Platz schaffen für das, was dann reinkommen soll. Und dafür muss man erst alles einmal rauslassen und verarbeiten und dann gucken, was das Leben für einen parat hält.
Und da war bei mir sehr viel Schönes, was dann gekommen ist, was nicht damit zu tun hatte, selbst Mutter zu sein. Ich bin heute eine coole Tante, ich bin eine tolle Freundin. Ich habe so viel Knipse in meinem Leben, die Tante Nova richtig geil finden und viele andere Aspekte. Und ja, wer weiß, vielleicht hätte ich den Mann an meiner Seite auch nie getroffen, wenn ich dieses Kind bekommen hätte. Und ich hasse eigentlich diesen Spruch. „Wenn eine Tür zugeht, geht eine andere auf“. Ich finde ihn so platt, aber im Endeffekt ist es genau das. Aber dazu muss man einmal loslassen, dass wirklich Neues reinströmen kann. Und wenn ich nicht aufgehört hätte, vielleicht hätte ich mich in
dem Strudel verfangen, vielleicht hätte ich hohe Schulden angehäuft, aus denen ich heute noch nicht raus wäre. Wer weiß das schon? Es hätten alle möglichen Sachen passieren können und ich bin froh, dass ich das genauso gemacht habe und ich würde es auch wieder machen. Trotz all dieser Umstände. Ich würde es wieder machen, wenn ich diesen Lebenstraum hätte, ich würde es versuchen. […]. Du kannst hinfallen und das kann auch mal nicht gut ausgehen, aber wenn du es nicht versuchst, dann bereust du es erst recht, finde ich.
Wie geht es jetzt weiter?
Das Buch „Lebenschlenker“ ist mittlerweile erfolgreich erschienen, ich freue mich weiterhin darauf, einfach auch persönlich ins Gespräch zu kommen. Du weißt es ja auch, ich habe ein Instagram Profil ins Leben gerufen @Lebensschlenker und ich hoffe wirklich, dass das auch so eine Seite wird, wo wir uns die nächsten Wochen austauschen können. Ich freue mich total, wenn Frauen auch vielleicht aus deiner Community ihre Geschichten teilen wollen. Das kann können sie auch gerne anonym machen. Es geht einfach nur drum, dass wir uns austauschen, dass wir uns allen zeigen, wir sind NICHT alleine damit. Es gibt ganz viele Wege, ganz viele Umwege, ganz viele Schicksale, ganz viele Glücksgeschichten. Ich freue mich freue mich drauf,
wenn deine Frauen da draußen auch Lust haben, ihre Geschichten zu teilen. Ich teile das sehr gerne da und hoffe, es wird eine kommunikative Seite werden.
Danke Nova!
Wenn du das ganze Interview ansehen möchtest, dann kannst du hier klicken.
Vielen herzlichen Dank Nova für dieses Interview!
Hinweis: bei diesen Passagen handelt es sich um Auszüge der Videoaufzeichnung vom 25.02.2025 mit kleinen stilistischen und redaktionellen Vereinfachungen. Das komplette Interview Lebensschlenker kannst du dir HIER ansehen. Ich habe keine finanziellen Aufwendungen für dieses Interview erhalten. Ich bedanke mich bei dir Nova für die nachträgliche Zusendung deines Buchs Lebensschlenker.
Wenn du dich noch im Kinderwunsch befindest und dich mit anderen Wunschmüttern über den Stand der Kinderwunschbehandlung austauschen möchtest, dann kannst du gerne eine der Onlinegruppen besuchen:
- Kinderwunschgruppe (ab Behandlungsbeginn)
- Wenn´s (noch) nicht klappt (ab mindestens drei Versuchen)
- Wenn du dich aktiv vom Kinderwunsch als alleinstehende Person verabschieden möchtest, dann bist du in der Abschiedsgruppe willkommen. Den Link werde ich die nächsten Tage veröffentlichen. Gern kannst du schon in die WhatsApp-Gruppe kommen, schick mir einfach eine Email.
Ich wünsche dir alles Gute für deinen individuellen Weg, egal, welchen Schlenker du auf deinem Lebenspfad einschlägst!