Katharina Horn

Auch Solomütter kann es treffen: Rückschläge bei der Kinderwunschbehandlung

Auch Solomütter kann es treffen: Rückschläge bei der Kinderwunsch-behandlung

Trauer und Hilfen – ein Gastbeitrag

Rückschläge während der Kinderwunsch-behandlung: Auch Solomütter kann es treffen…

Ich spreche mit vielen Personen, die den Weg der Solomutterschaft gehen wollen, viele, die eine Entscheidungshilfe benötigen, eine Bescheinigung oder sich zum Ablauf informieren möchten. Aber ich berate auch zunehmend mehr Menschen, bei denen es nicht klappt, bei denen sich der Kinderwunsch (bisher) nicht erfüllt hat. Auch Singlefrauen erleiden Fehlgeburten. Nicht jede Wunschmutter wird schwanger. In diesem Gastbeitrag möchte ich Jenny zu Wort kommen lassen, die uns über ihre Geschichte erzählen möchte. Es kann jede Person treffen.

Rückschläge während der Kinderwunschbehandlung: Auch Solomütter kann es treffen…

Ich spreche mit vielen Personen, die den Weg der Solomutterschaft gehen wollen, viele, die eine Entscheidungshilfe benötigen, eine Bescheinigung oder sich zum Ablauf informieren möchten. Aber ich berate auch zunehmend mehr Menschen, bei denen es nicht klappt, bei denen sich der Kinderwunsch (bisher) nicht erfüllt hat. Auch Singlefrauen erleiden Fehlgeburten. Nicht jede Wunschmutter wird schwanger. In diesem Gastbeitrag möchte ich Jenny zu Wort kommen lassen, die uns über ihre Geschichte erzählen möchte. Es kann jede Person treffen.

Triggerwarnung: Fehlgeburt, Schwangerschaftsabbruch

In den letzten Monaten habe ich mehr erlebt, als ich mir jemals hätte vorstellen können. Schlimmes und Bizarres. Dinge, von denen ich gar nicht wusste, dass es sie gibt. Und damit bin ich nicht allein. Deshalb ist es mir so wichtig, hier meine Geschichte zu erzählen und meinen Teil dazu beizutragen, damit Frauen wissen, dass sie nicht alleine sind und was auf sie zukommen kann. Dass es okay ist, darüber zu reden. Ich habe innerhalb weniger Monate einen sogenannten späten medizinisch-indizierten Schwangerschaftsabbruch und eine Fehlgeburt erlebt.

Aber von vorne: Nach meiner letzten Trennung mit Ende 38 habe ich monatelang nachgedacht und mich durchchecken lassen. Schließlich habe ich mich für eine Solomutterschaft entschieden. Anschließend begann der ewige Kreislauf aus Warten, Hoffnung und Enttäuschung der Kinderwunschbehandlung. Dass dieser mich so belasten würde, hätte ich nicht gedacht, obwohl es objektiv betrachtet schnell ging. Bei der vierten Insemination bin ich schwanger geworden. Und war froh, als die ersten 12 Wochen des Bangens vorbei waren. Aber leider nahm meine Schwangerschaft kein glückliches Ende. 

Ich habe mittlerweile angefangen, über meine gesammelten Tabuthemen (Solomutterschaft, Abbruch, totes Baby, Fehlgeburt) zu sprechen und – wie hier – zu schreiben. Nicht mit allen und in jedem Kontext – dazu braucht es vielleicht noch mehr Zeit und Abstand -, aber immer mehr. Ich will nicht mehr schweigen, sondern meinen Schmerz und meine Geschichte mitteilen, egal welche gesellschaftlichen Konventionen ich damit breche. Ich habe gelernt, dass ich sehr viel aushalte und dass ich ziemlich stark bin. Und deswegen weiß ich, dass ich Solomutter sein kann. Ich habe zum ersten Mal das Sprichwort verstanden: „Was einen nicht umbringt, macht einen stärker“(nicht härter). Ich weiß jetzt, dass ich auch nach künftigen schlimmen Situationen wieder aufstehen kann. 

Bei meiner Schwangerschaft kam die schreckliche Nachricht während der Pränataldiagnostik. Mein Baby hatte ein seltenes genetisches Syndrom schweren Ausmaßes. Die Genetiker konnten mir sagen, dass es sowohl körperlich als auch geistig und in der Entwicklung schwerste Auswirkungen haben würde. Ich musste eine Entscheidung treffen, der sich kein Mensch ausgesetzt sehen sollte. Ich habe schließlich nach vielen Gesprächen mit Beratern, Ärzten und Genetikern die schwerste Entscheidung meines Lebens getroffen. Für einen sogenannten späten medizinisch indizierten Abbruch. Es ist kaum zu beschreiben, wie unfassbar und unmöglich sich diese Entscheidung anfühlt. Ich stehe nach wie vor dazu und weiß, dass es für mich die richtige Wahl war, aber dieser Schmerz und dieser Stachel in mir wird mich für den Rest meines Lebens begleiten.

Gleichzeitig bin ich darin bestätigt worden, dass niemand so eine Situation oder Entscheidung wirklich nachvollziehen kann, wer nicht darin steckt. Und dass die Entscheidung höchst individuell ist, nicht verurteilt und schon gar nicht pauschal bewertet werden darf. Alle, die vor solch einer Entscheidung stehen, kann ich nur ermutigen, sich eine Beratung zu suchen. Eine solche psychosoziale Beratung nach Diagnosen aus der Pränataldiagnostik bietet z.B. die Beratungsstelle für Natürliche Geburt und Elternsein e.V. in München an. Sie haben mich beraten und auf die Geburt vorbereitet. Denn ab der 13. Woche ist keine OP mehr möglich, sondern die Wehen werden eingeleitet und man bekommt das Baby auf natürlichem Weg. Ich habe vorher schon einiges gelesen und organisiert, daher war es wichtig, ein paar Tage Zeit zu haben. Ich war mir zwar nicht sicher, was davon Sinn macht, aber ich wollte alles tun, um mich vorzubereiten. So habe ich zum Beispiel einen Gipsabdruck von meinem Babybauch gemacht, meinem Baby einen Brief geschrieben und eine ehrenamtliche Sternenkindfotografin gesucht.

Alles das hat mir geholfen, mich zu verabschieden und ich bin im Nachhinein sehr froh darüber. Leider sind dagegen die meisten öffentlichen Stellen nicht auf solche Situationen vorbereitet. Ich habe wochenlang mit Krankenkasse, Arbeitgeber, Beerdigungsinstituten, Friedhöfen und Klinik diskutiert, um Themen wie Beerdigung, Mutterschutz und Sonstiges zu organisieren. Dabei entstanden bizarre Situationen, z.B. wurde mein Sohn im falschen Grab beerdigt. Ich habe auch einen Brief vom Amtsgericht erhalten, in dem ich gefragt wurde, ob der Verstorbene verheiratet war und wer erben wird. Ich bin in dieser Zeit nur noch auf Notstrom gelaufen und habe meine wenige Energie auf die notwendigsten Dinge konzentriert. Dass die Bürokratie zusätzlich so uferlos sein würde, hätte ich nicht gedacht.

Unterstützt hat mich in dieser Zeit ein Rückbildungskurs mit anderen Müttern, deren Babys während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt gestorben sind. Zusätzlich habe ich  einige andere Gruppen- und Austauschformate ausprobiert und meistens etwas für mich mitgenommen. Ich rede natürlich auch mit meinen engsten Freunden darüber, von denen ich nie auch nur ein verurteilendes Wort gehört habe. Denn bis jetzt bin ich selbst meine schärfste Kritikerin.

Mein Kinderwunsch war die ganze Zeit ungebrochen. Ich war mir sicher, dass das nicht das Ende gewesen sein konnte. Ich hatte ein Kind geboren, verloren und beerdigt und würde es nicht vergessen, selbst wenn es ein Geschwisterchen geben würde. Nachdem die Ärzte grünes Licht gegeben hatten, habe ich deswegen knappe drei Monate später die nächste Insemination gemacht. Überraschenderweise hat es sofort geklappt. Leider entwickelte der Embryo sich nicht mehr weiter und in der 10. Woche hörte sein Herz auf zu schlagen. In mir war einfach nur Schmerz und Verzweiflung.

Trauer kann so unterschiedlich sein. Beim ersten Mal wollte ich ganz viel darüber reden. Ich hatte das Gefühl, die Geschichte möchte erzählt werden. Beim zweiten Mal war ich auf einmal sprachlos. Die Verzweiflung in mir stand in keinem Verhältnis zu dem rationalen Wissen, dass es so vielen Frauen vor mir auch schon passiert ist – und leider keine Seltenheit ist. Ich wusste nicht, was tun mit meiner Trauer, wollte sie auch gar nicht so sehr zulassen. Weil ich nicht mehr traurig sein wollte. Ich war gerade dabei gewesen, wieder fröhlich zu werden, meine Freundschaften wieder aufzunehmen und mehr unter Leute zu gehen. Und dann kam ein erneuter Schlag.

Ich habe für mich festgestellt: Trauer folgt keiner Regel. Und ist nicht konstant, sondern zeigt sich immer wieder anders. Manchmal hatte sie mich den ganzen Tag im Griff, manchmal kam sie wie aus dem Hinterhalt an einem eigentlich guten Tag. Und ich finde, sie sollte sich auch in allen Facetten zeigen dürfen, auch wenn es bedeutet, wütend zu sein. Auf glückliche Menschen, auf Freunde, auf die ganze Welt oder auch das eigene Baby. Trauer und Verluste können auch nicht verglichen werden. Ein Verlust früher in der Schwangerschaft bedeutet nicht, dass diese Person weniger trauern darf.

Was in einem Moment geholfen hat, war im nächsten nicht mehr so gut. Zum Beispiel hat mir lange viel Alleinsein in der Natur gutgetan, um meine Gedanken zu ordnen, zur Ruhe zu kommen und nur das zu tun, wonach ich mich fühle. Nach der Fehlgeburt habe ich gemerkt, dass ich doch einiges an Kontakt brauche, um mich als Teil des normalen Lebens zu fühlen. Um zu merken, dass andere ihr eigenes Päckchen tragen, jemanden zum Reden brauchen oder einfach nur um miteinander abzuhängen und zu lachen. Nach dem Schwangerschaftsabbruch konnte ich nur die engsten Freunde um mich haben, die mir in dieser schweren Zeit so sehr zur Seite gestanden sind. Aber als die Akutphase vorüber war, haben mir auch der Austausch mit Freunden, Bekannten oder anderen Betroffenen über das, was passiert ist, oder auch über alle ‚normalen‘ Themen, sehr geholfen.

Viele Sternenkindeltern werden nach ihrem Verlust mit Schweigen und Rückzug von Freunden, Familienmitgliedern und Kollegen konfrontiert. Das habe ich zum Glück nur in einigen wenigen Fällen erlebt. Ich kann nachvollziehen, dass viele Außenstehende nicht wissen, wie sie auf einen solchen Verlust reagieren sollen, egal in welcher Schwangerschaftswoche es passiert. Aber alles ist besser als zu schweigen. Schon eine kleine Beileidsbekundung à la „Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, aber ich denke an dich.“ ist gut. Mehr muss es nicht sein, denn am Anfang hilft sowieso kaum etwas. Eine schön gestaltete Beileidskarte hat mich zum Beispiel zu Tränen gerührt.

In diesen Trauerphasen ging es darum, mir selbst zu helfen und die wenige Energie, die ich teilweise hatte, achtsam einzusetzen. Dadurch habe ich eine viel bessere Selbstfürsorge entwickelt. Manchmal finde ich mich fast radikal, wie ich mich ganz klar gegen Dinge entscheide, die jemand von mir erwartet, weil ich weiß, dass sie mir nicht guttun. Und ich mache mir selbst weniger Druck, sondern versuche zu akzeptieren, wenn ich mich nicht danach fühle, was ich eigentlich geplant hatte. So einfach wie es vielleicht klingt, ist es natürlich nicht, aber es wird mit Zeit und Übung besser.

Zwei Bücher haben mir persönlich sehr weitergeholfen: Das eine zum Umgang mit dem Verlust und der Trauer während oder kurz nach der Schwangerschaft („Gute Hoffnung, jähes Ende“ von Hannah Lothrop). Das andere bei einer Diagnose aus der Pränataldiagnostik, wenn Frauen oder Paare sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden oder dazu, das Kind weiter auszutragen („Weitertragen“ von Kathrin Fezer Schadt und Carolin Erhardt-Seidl). Außerdem Gespräche mit einer Trauerberaterin, die mit solchen Erlebnissen Erfahrung hat.

Nach allem, was passiert ist, frage ich mich: Sollten Frauen oder Paare am Anfang einer Kinderwunschbehandlung besser darauf vorbereitet werden, was passieren kann? Nicht nur in den ersten 12 Wochen, sondern auch auf die Folgen der Pränataldiagnostik? Würde das wirklich helfen? Uns auf den Schmerz vorzubereiten? Ich wusste ja auch, dass Fehlgeburten bei jeder 3. oder 4. Schwangerschaft passieren können. Ich weiß es selber nicht, ob es helfen würde, aber die Tabuisierung dieser Themen sollte unbedingt aufhören!

Mir ist ganz wichtig zu sagen, wie bedeutend es ist, ganz auf sich selbst zu hören, sich selbst erlauben, so zu fühlen, wie man es nun mal fühlt. Sich von anderen nicht sagen zu lassen, was man zu tun oder zu fühlen hat. Entscheidend ist meiner persönlichen Meinung nach nur, sich mit den eigenen Gefühlen zu beschäftigen, damit sie einen nicht irgendwann aus dem Nichts, in der nächsten Schwangerschaft oder beim nächsten Verlust überfallen.

Triggerwarnung: Fehlgeburt, Schwangerschafts-abbruch

In den letzten Monaten habe ich mehr erlebt, als ich mir jemals hätte vorstellen können. Schlimmes und Bizarres. Dinge, von denen ich gar nicht wusste, dass es sie gibt. Und damit bin ich nicht allein. Deshalb ist es mir so wichtig, hier meine Geschichte zu erzählen und meinen Teil dazu beizutragen, damit Frauen wissen, dass sie nicht alleine sind und was auf sie zukommen kann. Dass es okay ist, darüber zu reden. Ich habe innerhalb weniger Monate einen sogenannten späten medizinisch-indizierten Schwangerschaftsabbruch und eine Fehlgeburt erlebt.

Aber von vorne: Nach meiner letzten Trennung mit Ende 38 habe ich monatelang nachgedacht und mich durchchecken lassen. Schließlich habe ich mich für eine Solomutterschaft entschieden. Anschließend begann der ewige Kreislauf aus Warten, Hoffnung und Enttäuschung der Kinderwunschbehandlung. Dass dieser mich so belasten würde, hätte ich nicht gedacht, obwohl es objektiv betrachtet schnell ging. Bei der vierten Insemination bin ich schwanger geworden. Und war froh, als die ersten 12 Wochen des Bangens vorbei waren. Aber leider nahm meine Schwangerschaft kein glückliches Ende. 

Ich habe mittlerweile angefangen, über meine gesammelten Tabuthemen (Solomutterschaft, Abbruch, totes Baby, Fehlgeburt) zu sprechen und – wie hier – zu schreiben. Nicht mit allen und in jedem Kontext – dazu braucht es vielleicht noch mehr Zeit und Abstand -, aber immer mehr. Ich will nicht mehr schweigen, sondern meinen Schmerz und meine Geschichte mitteilen, egal welche gesellschaftlichen Konventionen ich damit breche. Ich habe gelernt, dass ich sehr viel aushalte und dass ich ziemlich stark bin. Und deswegen weiß ich, dass ich Solomutter sein kann. Ich habe zum ersten Mal das Sprichwort verstanden: „Was einen nicht umbringt, macht einen stärker“(nicht härter). Ich weiß jetzt, dass ich auch nach künftigen schlimmen Situationen wieder aufstehen kann. 

Bei meiner Schwangerschaft kam die schreckliche Nachricht während der Pränataldiagnostik. Mein Baby hatte ein seltenes genetisches Syndrom schweren Ausmaßes. Die Genetiker konnten mir sagen, dass es sowohl körperlich als auch geistig und in der Entwicklung schwerste Auswirkungen haben würde. Ich musste eine Entscheidung treffen, der sich kein Mensch ausgesetzt sehen sollte. Ich habe schließlich nach vielen Gesprächen mit Beratern, Ärzten und Genetikern die schwerste Entscheidung meines Lebens getroffen. Für einen sogenannten späten medizinisch indizierten Abbruch. Es ist kaum zu beschreiben, wie unfassbar und unmöglich sich diese Entscheidung anfühlt. Ich stehe nach wie vor dazu und weiß, dass es für mich die richtige Wahl war, aber dieser Schmerz und dieser Stachel in mir wird mich für den Rest meines Lebens begleiten.

Gleichzeitig bin ich darin bestätigt worden, dass niemand so eine Situation oder Entscheidung wirklich nachvollziehen kann, wer nicht darin steckt. Und dass die Entscheidung höchst individuell ist, nicht verurteilt und schon gar nicht pauschal bewertet werden darf. Alle, die vor solch einer Entscheidung stehen, kann ich nur ermutigen, sich eine Beratung zu suchen. Eine solche psychosoziale Beratung nach Diagnosen aus der Pränataldiagnostik bietet z.B. die Beratungsstelle für Natürliche Geburt und Elternsein e.V. in München an. Sie haben mich beraten und auf die Geburt vorbereitet. Denn ab der 13. Woche ist keine OP mehr möglich, sondern die Wehen werden eingeleitet und man bekommt das Baby auf natürlichem Weg. Ich habe vorher schon einiges gelesen und organisiert, daher war es wichtig, ein paar Tage Zeit zu haben. Ich war mir zwar nicht sicher, was davon Sinn macht, aber ich wollte alles tun, um mich vorzubereiten. So habe ich zum Beispiel einen Gipsabdruck von meinem Babybauch gemacht, meinem Baby einen Brief geschrieben und eine ehrenamtliche Sternenkindfotografin gesucht.

Alles das hat mir geholfen, mich zu verabschieden und ich bin im Nachhinein sehr froh darüber. Leider sind dagegen die meisten öffentlichen Stellen nicht auf solche Situationen vorbereitet. Ich habe wochenlang mit Krankenkasse, Arbeitgeber, Beerdigungsinstituten, Friedhöfen und Klinik diskutiert, um Themen wie Beerdigung, Mutterschutz und Sonstiges zu organisieren. Dabei entstanden bizarre Situationen, z.B. wurde mein Sohn im falschen Grab beerdigt. Ich habe auch einen Brief vom Amtsgericht erhalten, in dem ich gefragt wurde, ob der Verstorbene verheiratet war und wer erben wird. Ich bin in dieser Zeit nur noch auf Notstrom gelaufen und habe meine wenige Energie auf die notwendigsten Dinge konzentriert. Dass die Bürokratie zusätzlich so uferlos sein würde, hätte ich nicht gedacht.

Unterstützt hat mich in dieser Zeit ein Rückbildungskurs mit anderen Müttern, deren Babys während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt gestorben sind. Zusätzlich habe ich  einige andere Gruppen- und Austauschformate ausprobiert und meistens etwas für mich mitgenommen. Ich rede natürlich auch mit meinen engsten Freunden darüber, von denen ich nie auch nur ein verurteilendes Wort gehört habe. Denn bis jetzt bin ich selbst meine schärfste Kritikerin.

Mein Kinderwunsch war die ganze Zeit ungebrochen. Ich war mir sicher, dass das nicht das Ende gewesen sein konnte. Ich hatte ein Kind geboren, verloren und beerdigt und würde es nicht vergessen, selbst wenn es ein Geschwisterchen geben würde. Nachdem die Ärzte grünes Licht gegeben hatten, habe ich deswegen knappe drei Monate später die nächste Insemination gemacht. Überraschenderweise hat es sofort geklappt. Leider entwickelte der Embryo sich nicht mehr weiter und in der 10. Woche hörte sein Herz auf zu schlagen. In mir war einfach nur Schmerz und Verzweiflung.

Trauer kann so unterschiedlich sein. Beim ersten Mal wollte ich ganz viel darüber reden. Ich hatte das Gefühl, die Geschichte möchte erzählt werden. Beim zweiten Mal war ich auf einmal sprachlos. Die Verzweiflung in mir stand in keinem Verhältnis zu dem rationalen Wissen, dass es so vielen Frauen vor mir auch schon passiert ist – und leider keine Seltenheit ist. Ich wusste nicht, was tun mit meiner Trauer, wollte sie auch gar nicht so sehr zulassen. Weil ich nicht mehr traurig sein wollte. Ich war gerade dabei gewesen, wieder fröhlich zu werden, meine Freundschaften wieder aufzunehmen und mehr unter Leute zu gehen. Und dann kam ein erneuter Schlag.

Ich habe für mich festgestellt: Trauer folgt keiner Regel. Und ist nicht konstant, sondern zeigt sich immer wieder anders. Manchmal hatte sie mich den ganzen Tag im Griff, manchmal kam sie wie aus dem Hinterhalt an einem eigentlich guten Tag. Und ich finde, sie sollte sich auch in allen Facetten zeigen dürfen, auch wenn es bedeutet, wütend zu sein. Auf glückliche Menschen, auf Freunde, auf die ganze Welt oder auch das eigene Baby. Trauer und Verluste können auch nicht verglichen werden. Ein Verlust früher in der Schwangerschaft bedeutet nicht, dass diese Person weniger trauern darf.

Was in einem Moment geholfen hat, war im nächsten nicht mehr so gut. Zum Beispiel hat mir lange viel Alleinsein in der Natur gutgetan, um meine Gedanken zu ordnen, zur Ruhe zu kommen und nur das zu tun, wonach ich mich fühle. Nach der Fehlgeburt habe ich gemerkt, dass ich doch einiges an Kontakt brauche, um mich als Teil des normalen Lebens zu fühlen. Um zu merken, dass andere ihr eigenes Päckchen tragen, jemanden zum Reden brauchen oder einfach nur um miteinander abzuhängen und zu lachen. Nach dem Schwangerschaftsabbruch konnte ich nur die engsten Freunde um mich haben, die mir in dieser schweren Zeit so sehr zur Seite gestanden sind. Aber als die Akutphase vorüber war, haben mir auch der Austausch mit Freunden, Bekannten oder anderen Betroffenen über das, was passiert ist, oder auch über alle ‚normalen‘ Themen, sehr geholfen.

Viele Sternenkindeltern werden nach ihrem Verlust mit Schweigen und Rückzug von Freunden, Familienmitgliedern und Kollegen konfrontiert. Das habe ich zum Glück nur in einigen wenigen Fällen erlebt. Ich kann nachvollziehen, dass viele Außenstehende nicht wissen, wie sie auf einen solchen Verlust reagieren sollen, egal in welcher Schwangerschaftswoche es passiert. Aber alles ist besser als zu schweigen. Schon eine kleine Beileidsbekundung à la „Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, aber ich denke an dich.“ ist gut. Mehr muss es nicht sein, denn am Anfang hilft sowieso kaum etwas. Eine schön gestaltete Beileidskarte hat mich zum Beispiel zu Tränen gerührt.

In diesen Trauerphasen ging es darum, mir selbst zu helfen und die wenige Energie, die ich teilweise hatte, achtsam einzusetzen. Dadurch habe ich eine viel bessere Selbstfürsorge entwickelt. Manchmal finde ich mich fast radikal, wie ich mich ganz klar gegen Dinge entscheide, die jemand von mir erwartet, weil ich weiß, dass sie mir nicht guttun. Und ich mache mir selbst weniger Druck, sondern versuche zu akzeptieren, wenn ich mich nicht danach fühle, was ich eigentlich geplant hatte. So einfach wie es vielleicht klingt, ist es natürlich nicht, aber es wird mit Zeit und Übung besser.

Zwei Bücher haben mir persönlich sehr weitergeholfen: Das eine zum Umgang mit dem Verlust und der Trauer während oder kurz nach der Schwangerschaft („Gute Hoffnung, jähes Ende“ von Hannah Lothrop). Das andere bei einer Diagnose aus der Pränataldiagnostik, wenn Frauen oder Paare sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden oder dazu, das Kind weiter auszutragen („Weitertragen“ von Kathrin Fezer Schadt und Carolin Erhardt-Seidl). Außerdem Gespräche mit einer Trauerberaterin, die mit solchen Erlebnissen Erfahrung hat.

Nach allem, was passiert ist, frage ich mich: Sollten Frauen oder Paare am Anfang einer Kinderwunschbehandlung besser darauf vorbereitet werden, was passieren kann? Nicht nur in den ersten 12 Wochen, sondern auch auf die Folgen der Pränataldiagnostik? Würde das wirklich helfen? Uns auf den Schmerz vorzubereiten? Ich wusste ja auch, dass Fehlgeburten bei jeder 3. oder 4. Schwangerschaft passieren können. Ich weiß es selber nicht, ob es helfen würde, aber die Tabuisierung dieser Themen sollte unbedingt aufhören!

Mir ist ganz wichtig zu sagen, wie bedeutend es ist, ganz auf sich selbst zu hören, sich selbst erlauben, so zu fühlen, wie man es nun mal fühlt. Sich von anderen nicht sagen zu lassen, was man zu tun oder zu fühlen hat. Entscheidend ist meiner persönlichen Meinung nach nur, sich mit den eigenen Gefühlen zu beschäftigen, damit sie einen nicht irgendwann aus dem Nichts, in der nächsten Schwangerschaft oder beim nächsten Verlust überfallen.

Hast Du auch solche Erfahrungen erlebt?

Wenn du dich mit mir austauschen möchtest, weil du etwas Ähnliches erlebt hast oder es auf dich zukommt, melde dich gern über Katharina bei mir. Ich teile gern meine Erfahrungen, weil ich weiß, wieviel ich selbst von den Hilfs- und Unterstützungsangeboten profitiert habe, um diese schlimme Situation etwas erträglicher oder handhabbarer zu machen. Oder um einfach ein paar praktische Tipps zu bekommen, weil niemand auf eine solche Situation vorbereitet ist.

Was hilft denn eigentlich?

Jenny berichtet eindrücklich von ihren Rückschlägen während der Kinderwunschbehandlung und ihren persönlichen Erfahrungen. Vielen Dank Jenny, ich habe in jedem Fall ganz viel von Dir gelernt. Trauer hat viele Facetten. Reden hilft, aber manchmal möchte die Betroffene auch nicht reden. Jede Person bewältigt ihre Trauer anders. Und was ich auch sehr wichtig finde, Jenny hat sich in den unterschiedlichen Phasen Hilfe gesucht. Denn vielen Menschen, denen es richtig schlecht geht, fällt es in solchen Situationen oft schwer, Hilfe zu suchen oder in Anspruch zu nehmen. Jenny und ich haben hier noch mal eine Auswahl an Hilfsangeboten zusammengetragen. 

Beratungsstellen:

Abschiedshilfen:

  • Gipsabdruck vom Babybauch, Brief an das Baby
  • Sternenkindfotografin, ehrenamtliche Sternenkindfotografen
  • Rückbildungskurs mit anderen Müttern, deren Babys während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt gestorben sind, z.B. hier
  • andere Gruppen- und Austauschformate
  • Reden mit den engsten Freunden
  • Alleinsein in der Natur
  • Kontakt zu Anderen
  • Gespräche mit einer Trauerberaterin, die mit solchen Erlebnissen Erfahrung hat

Selbsthilfegruppen:

Bücher:

  • „Gute Hoffnung, jähes Ende“ von Hannah Lothrop
  • „Weitertragen“ von Kathrin Fezer Schadt und Carolin Erhardt-Seidl

Und auf den Seiten des Familienportals findest Du hier eine gute Zusammenfassung einiger rechtlicher Aspekte: Welche Regelungen gelten bei Fehlgeburt, Totgeburt oder Schwangerschaftsabbruch?

 

Vielen Dank Jenny! Ich wünsche Dir alles Gute für Deine weitere Reise.