Katharina Horn

Ein Buch für Solo-Mütter mit Wunschkindern nach Embryonenspende

Über den Weg der Eizell-/Embryonenspende sprechen

Ein Aufklärungsbuch für Solo-Mütter mit Wunschkindern nach Embryonenspende

Immer häufiger kommen alleinstehende Klient*innen zur mir in die Beratung, die eine Doppel- oder Eizellspende erwägen, planen oder sich bereits in Behandlung befinden. Dabei führt der Weg noch immer ins Ausland. Umso schwieriger sich dort zu orientieren. Jedes Land hat seine eigenen Regeln. Wie kann ich hier “vergleichen”? Worauf muss ich achten? Was bedeutet dieser Weg für mich, wenn es zu einer Schwangerschaft kommt? Wie wird mein Umfeld reagieren? Und die Frage aller Fragen: Und wie sage ich es später dem Kind? Ich bin total glücklich, dass ich an diesem Buch mit Dr. Petra Thorn mitschreiben und mitdenken durfte. Dieses Buch ist für Solomütter mit Kinder nach Eizellspende (bzw. Doppelspende) oder nach Embryonenspende. Auch hier dient dieses Buch als “Erzählleitfaden”. Es liefert Solomüttern Ideen und Anregungen, mit welchen Begriffen sie ihr Kind diesen Weg erklären möchten. Durch die Einbindung eigener Fotos wird das Kind selbst in die Geschichte mit einbezogen. Ich bin gespannt auf Deine Rückmeldungen. Ich möchte Dir gerne ein Interview mit Petra Thorn vorstellen. Auf Petra Thorns Seite findest Du auch ein Interview mit mir. 

Liebe Petra, stell Dich doch mal bitte vor: Wer bist Du (was machst Du beruflich?)

Ich bin Sozialarbeiterin, Sozialtherapeutin und Familientherapeutin und meine Arbeit kann man in mehrere Bereiche aufteilen: 

Seit rund 30 Jahren arbeite ich in eigener Praxis (pthorn.de), überwiegend in der Beratung von Paaren und Personen mit Kinderwunsch. Und hier habe ich nochmals einen besonderen Fokus, nämlich die Familienbildung mithilfe Dritter, also Samenspende & Co. Meine langjährigen Erfahrungen gebe ich gerne im Rahmen von Fort- und Weiterbildungen sowie auf internationalen Tagungen und Kongressen weiter.

Vor über 15 Jahren habe ich den Verlag FamART gegründet und verlege Bücher zum Themenbereich Kinderwunsch, bekannt sind vor allem die Aufklärungsbücher für Kinder nach Samen-, Eizell- und Embryonenspende. Aber FamART verlegt auch Ratgeber für (Wunsch-)Eltern und Fachliteratur. Und er bietet etwas Besonderes an, nämlich Informations-Broschüren zu unterschiedlichen Familienformen, die man kostenfrei herunterladen kann.

Ich habe über 200 wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Publikationen zu psychosozialen Aspekten des Kinderwunschs und zur Familienbildung mithilfe Dritter veröffentlicht, darunter über 15 Bücher und sechs Gutachten und öffentliche Berichte.

Letztendlich arbeite ich in mehreren nationalen und internationalen Organisationen mit und engagiere mich für ein modernes Fortpflanzungsmedizingesetz. Ich war lange Zeit Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunschberatung – BKiD. Seit rund einem Jahr bin ich 2. Vorsitzende. Auch im Arbeitskreis donogene Insemination arbeite ich auf Vorstandsebene mit, und ich bin langjähriges Mitglied der Europäischen Organisation für Reproduktionsmedizin (ESHRE) und habe mich in diesem Rahmen immer wieder für die Beratung bei Kinderwunsch engagiert (z.B. hier).  Von 2016 bis 2020 war ich Mitglied des Deutschen Ethikrats und habe auf dieser Ebene ein Forum mit dem Titel „Eizellspende im Ausland – Konsequenzen im Inland“ organisiert.

Rückblickend auf die letzten vier Jahre seit Inkrafttreten des Samenspenderregistergesetzes, wie häufig tritt das Thema a) Solomutterschaft und b) Eizellspende oder Embryonenspende in Deiner Beratung auf?

In meiner Praxis gibt das Thema „Eizellspende“ schon deutlich länger als das Samenspenderregistergesetz. Ich habe 2008 den ersten Artikel über das Phänomen „Reproduktives Reisen“ geschrieben, und bereits zwei Jahre später gemeinsam mit Tewes Wischmann für BKiD Leitlinien für die Beratung von Frauen und Männern, die eine Behandlung im Ausland beabsichtigen, veröffentlicht (1). Embryonenspende kam als Thema mehrere Jahre später hinzu, allerdings sind die Beratungsanfragen hierzu deutlich seltener als zu Eizellspende.

Alleinstehende Frauen, die mittels Samen- oder Embryonenspende die Solomutterschaft angehen, ist ein relativ neues Thema, zu dem ich in meiner Praxis seit ungefähr 2016 berate. Aber die Beratungen werden seit Einführung des Samenspenderregistergesetzes extrem häufig nachgefragt. Mittlerweile habe ich keine Woche ohne mindestens 2 – 3 Beratungen je zu Eizellspende und zu Solomutterschaft. 

Viele denken, beide Wege seien Solomüttern gegenüber verwehrt. Kannst Du erklären: Was ist verboten und was ist erlaubt?

Es gab nie ein gesetzliches Verbot, alleinstehende Frauen zu behandeln, allerdings empfahlen ältere Richtlinien der Bundesärztekammer, lesbische und alleinstehende Frauen nicht zu behandeln und es gab bis 2018 ein Risiko für die Samenspender, als Vater des Kindes zu gelten, das mit dessen gespendeten Samen gezeugt wurde. Die Bundesärztekammer argumentiert mit dem Kindeswohl, das in diesen Familienkonstellationen nicht garantiert werden könne, allerdings zeigen Studien zumindest von Familien mit lesbischen Müttern schon lange Zeit auf, dass sich die Kinder der Norm entsprechend entwickeln. Hierzu haben Tewes Wischmann und ich einen 2008 Artikel veröffentlicht (2). Mittlerweile gibt es auch erste Studien von Kindern in Solomütterfamilien, und auch hier gibt es bislang keine Anzeichen, dass diese Familienform das Kindeswohl gefährdet. Diese Richtlinien haben jedoch viele Ärzte davon abgehalten, diese zwei Gruppen zu behandeln. In der neuen Richtlinie der Bundesärztekammer ist diese Empfehlung nicht mehr enthalten. Hinzu kommt, dass das 2018 eingeführte Samenspenderregistergesetz Spender vor der juristischen Vaterschaft schützt, so dass sie nicht Gefahr laufen, Unterhalt für das mit ihrem gespendeten Samen gezeugten Kind zu zahlen.

Und die Eizellspende ist in Deutschland verboten, die Embryonenspende theoretisch erlaubt. Welche Konsequenzen ergeben sich für Empfänger*innen? 

Ja, es darf niemand zu einer Straftat motivieren, daher halten sich ÄrztInnen und Beratungsfachkräfte bei dem Thema „Eizellspende“ (wie auch bei Leihmutterschaft) sehr zurück. Wichtig zu wissen ist jedoch, dass die Frau, die im Ausland eine Spendereizelle erhält gem. §1, Abs 3, 1 nicht bestraft wird.

Zudem ist es bislang so, dass die Embryonenspende durchgeführt wird, allerdings selten Alleinstehende  dabei berücksichtigt werden.

Wie unterscheidet sich die Beratung von Solomüttern vor Samenspende und vor Eizell- oder Embryonenspende?

Ich glaube, dass viele Beratungsthemen recht ähnlich sind. Bei allen Beratungen zur Familienbildung mithilfe Dritter geht es darum, seine Unfruchtbarkeit bzw. seinen Status als alleinstehende Person akzeptieren zu können, und für viele ist dies mit einem Trauerprozess verbunden. Im nächsten Schritt ist es wichtig, zu der Entscheidung einer Spendebehandlung stehen zu können – zunächst einmal nicht nach außen, sondern sich selbst gegenüber. Dann ist es meiner Erfahrung nach wichtig, in seinem engen Kreis (Familie, Freunde) darüber sprechen zu können und ggf. auch mit Fragen oder kritischen Haltungen entspannt umgehen zu können. Letztendlich sollten Wunscheltern auch wissen, wie sie ihr Kind aufklären können und wie sich das Kind in unterschiedlichen Entwicklungsphasen mit seiner Zeugungsgeschichte auseinandersetzt (Grundschulalter, Pubertät, Erwachsenenalter). Letztendlich bekomme ich von vielen Klienten rückgemeldet, dass es hilfreich ist, auch über einen möglichen Kontakt zum Spender zu sprechen.

Bei angehenden Solomüttern kommt hinzu, dass es nur einen Elternteil gibt, und es sinnvoll ist, ein stabiles Netzwerk aufzubauen und das Kind angemessen abzusichern. Deshalb gehe ich mit diesen Wunschmüttern verschiedene Lebensbereiche und Lebensphasen durch, und wir schauen gemeinsam, ob für jede Frau individuell ausreichend Ressourcen vorhanden sind oder ob es sinnvoll ist, zusätzliche Ressourcen (z.B. eine Freundin, die die Behandlung begleitet, Hilfe in der ersten Zeit nach der Geburt, Sicherheit am Arbeitsplatz, finanzielle Absicherung u.ä. zu entwickeln.

Vor welchen ethischen Dilemmata befinden sich Deine Klient*innen? 

Eine sehr schwierige Situation erlebe ich immer wieder, wenn Eltern zu mir kommen, die in der Beratung besprechen möchten, wie sie ihr Kind nach Eizellspende oder Embryonenspende im Ausland aufklären können und dann feststellen, dass sie dies zwar tun können, aber ihrem Kind auch mitteilen müssen, dass die Spender im Behandlungsland anonym bleiben und sie auf offiziellem Weg deren Identität nicht erfahren werden. Dies bezeichnen viele als eine Dilemmasituation, vor allem, wenn ihnen die gesetzlichen Regelungen im Behandlungsland unbekannt waren.

Mittlerweile ist zwar die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man Halb- und Vollgeschwister oder auch Spender mittels Gendatenbanken findet, aber da den Spendern Anonymität zugesichert wurde, ist unklar, ob sie bereit sind, mit dem Kind in Kontakt zu treten.

 

Wie geht es Kindern nach Eizell-/ Embryonenspende?

Da kann ich eine recht kurze Antwort geben: Gut! Allerdings ist für all‘ diese Kinder wichtig, dass sie möglichst im Kindergartenalter aufgeklärt werden, dass ihre Eltern entspannt mit der Zeugungsgeschichte umgehen können und dass sie selbst entscheiden können, ob sie Spender/Spenderin später kennenlernen möchten. 

Meiner Erfahrung nach fällt es Solomüttern nach Eizell-/ Embryonenspende schwerer, ihre Kinder aufzuklären. Wie ist Deine Erfahrung? Warum ist das so?

Ich weiß von allen Eltern, dass die erste Aufklärung mit sehr viel Anspannung, wenn nicht sogar Angst, einhergeht. Gerade Solomütter möchten es manchmal vermeiden, ihrem Kind mitzuteilen, dass es keinen Vater hat. Sie befürchten, dass ihr Kind sich anders als andere Kinder empfinden könnte oder dass es gehänselt wird. Ich glaube allerdings, dass die Wahrheit für Kinder wichtig ist. Und man kann mit kleinen Kindern durchaus so über die Solomutterschaft sprechen, dass nicht der „Verlust“ eines Vaters im Vordergrund steht, sondern die Tatsache, dass es viele unterschiedliche Familienformen gibt, große und kleine Familien, Familien mit zwei und mit einem Elternteil etc. Und dass man als Solomutterfamilie Teil dieser Vielfalt ist. Sicherlich ist es für Kinder auch wichtig, andere Kinder in unkonventionellen Familienformen zu kennen, und dies können Mütter bereits in der Schwangerschaft vorbereiten, indem sie ein Netzwerk von Solomüttern aufbauen.

Wie können Aufklärungsbücher helfen?

Ich höre von vielen Eltern, dass Aufklärungsbücher Eltern dabei unterstützen können, einen Anfang zu wagen. Sie erleichtern die Aufklärung, weil sie den Eltern Worte, Sätze und Ideen zur Verfügung stellen, und weil sie mit wirklich einfacher Sprache einen relativ komplexen Sachverhalt erklären. Ich bekomme auch die Rückmeldung, dass manche Kinder die Bücher sehr spannend finden, vor allem, weil Photos von ihnen im Buch zu finden sind., Aandere jedoch hören sich die Geschichte an und zeigen ganz deutlich, dass sie das im Moment nicht sonderlich interessiert. Da reagieren Kinder wirklich sehr unterschiedlich.

Ich weiß auch, dass manche Eltern die Aufklärungsbücher nutzen, um mit ihren eigenen Eltern, also den Großeltern des Kindes, über die Zeugung zu sprechen, andere schenken dem Kindergarten ein Exemplar, damit die pädagogischen Fachkräfte die Zeugungsgeschichte in den Gesprächen mit den Kindern aufnehmen können.

Wie kam Dir die Idee, solche Bücher zu schreiben/ zu gestalten?

Es gab schon in den 1990ern ähnliche Kinderbücher im angelsächsischen Raum. Mir war es wichtig, dass es ein deutsches Kinderbuch gibt, und daher erstellte ich dafür ein Konzept und schrieb mehrere Verlage an. Leider hatte kein Verlag Interesse. Es war wohl zu sehr ein Nischenthema. Also gründete ich einen Verlag. Im Nachhinein bin ich darüber froh, denn sonst hätte ich FamART nicht gegründet. Und nach dem ersten Buch kamen Kolleginnen auf mich zu, die Ideen für weitere Bücher hatten, und so hat sich das Angebot von FamART stetig erweitert.

Reicht ein Aufklärungsbuch aus, um mein Kind vorzubereiten?

Ich glaube nicht, dass die Anzahl der Bücher einen Unterschied macht, sondern eher, wie entspannt die Eltern grundsätzlich über die Zeugung sprechen. 

Welche Begriffe empfiehlst Du bei einem solchen Weg – Wie bezeichnen wir die Personen, die ihre Gameten gespendet haben?

In den Aufklärungsbüchern verwende ich eine recht direkte Sprache: Die Kinder lernen, dass Männer Samenzellen und Frauen Eizellen haben. Auch der Begriff „Embryo“ wird eingeführt – natürlich so, dass Kinder ihn verstehen. Die Spender bezeichne ich als „netten Mann“ bzw. „nette Frau“, denn „Spender“ halte ich für Kinder im Kindergartenalter für zu abstrakt.

Was kann ich tun, wenn mein Kind aus einer anonymen Spende entstanden ist? Worauf muss ich da bei der Erzählgeschichte achten?

Ich glaube, die ersten Phasen der Aufklärung unterscheiden sich nicht zwischen den Familien mit einer offenen oder anonymen Spende. Aber bei einer anonymen Spende ist es wichtig, dass die Kinder irgendwann erfahren, dass die Eltern wenig bis nichts über Spender*in wissen, nur der Arzt diese Person kennt, und es keinen geregelten Weg gibt, etwas über diese Person zu erfahren. Kinder in oder nach der Pubertät kann man durchaus informieren, dass man mithilfe von Gentests und Gendatenbanken sowohl Spender*innen als auch Voll- und Halbgeschwister suchen kann. Man sollte aber mit dem Kind auch besprechen, dass diesen Spender*innen Anonymität zugesichert wurde, man sie durchaus finden kann, sie aber möglicherweise einen Kontakt ablehnen.

Mein Kind fragt ja gar nicht nach seiner Entstehung. Muss ich vorher etwas anbieten oder warte ich auf den richtigen Moment? Was ist Deine Empfehlung?

Ich glaube nicht, dass Kinder von sich aus über ihre Entstehung fragen. Aber bei Solomütterfamilien und bei Familien mit lesbischen Eltern fällt es Kindern irgendwann auf, dass viele Kinder von einem Vater sprechen, sie selbst jedoch keinen Vater haben. Und dies führt dazu, dass man mit Kindern über ihre Familienzusammensetzung spricht, und dann natürlich auch über den Zeugungsweg. Schließlich wachsen die Kinder im besten Fall in einer Atmosphäre auf, die ihnen verdeutlicht, dass ihre Mütter/Eltern sich freuen, dass sie auf einem besonderen oder (noch) ungewöhnlichem Wege zu ihnen gekommen sind und dass dies für die Mutter/Eltern nicht mit Scham, sondern mit Stolz und Freude verbunden ist.

Letzte Frage: Rückblickend auf Deine wahnsinnig inspirierende und beeindruckende Arbeit der letzten Jahre: Welche Tipps hast Du für Solomütter oder Wunschmütter, die den Weg der Solomutterschaft nach Eizell- / Embryonenspende gehen möchten?

Ich glaube, das wichtigste ist, dass Solomütter, so wie alle Eltern, die einen außergewöhnlichen Weg der Familienbildung gehen, ihre Entscheidung innerlich gut annehmen und äußerlich damit entspannt umgehen können. Dies ist keine Haltung, die man schnell für sich entwickelt. Denn die meisten gehen besondere Wege, weil ihnen die üblichen Wege aus unterschiedlichen Gründen verschlossen sind. Man sollte sich somit Zeit geben, das „Übliche“ hinter sich lassen zu können und offen zu werden für etwas Neues. Und man sollte sich nicht scheuen, Hilfe in Form von Beratung anzunehmen!

Vielen Dank Petra. Ich freue mich auf weitere gemeinsame Projekte. U.a. sehen wir uns ja regelmäßig zu den Onlinevernetzungstreffen für Solomütter nach Doppel-/Embryonenspende. Aktuelle Termine findest Du im Newsletter. 

Quellen

(1)  Thorn, Petra; Wischmann, Tewes: Leitlinien „Psychosoziale Beratung für Frauen und Männer, die eine Kinderwunschbehandlung im Ausland beabsichtigen“. Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie 2010, 7, 5, 394-402.

(2) Thorn, Petra; Wischmann, Tewes: Eine kritische Würdigung der Novellierung der (Muster-) Richtlinie der Bundesärztekammer 2006 aus der Perspektive der psychosozialen Beratung. Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie 2008, 1, S. 39-44.