Katharina Horn
Vielleicht fahren Sie einfach mal Straßenbahn- Diskriminierung von Solomüttern
von diskriminierenden RatSCHLÄGEN durch Fachkräfte
Teil 1: Mit Erfahrungsberichten und einem Gastbeitrag von Linda
Diskriminierung von Solomüttern
Auf Instagram bin ich eingestiegen mit dem Post über Mira, 32 Jahre.
„Ich bin mit 31 Jahren zur Kinderwunschklinik gegangen. Dort wurde ich von meiner Ärztin weggeschickt. Ich soll mir einen Privatspender suchen. Das sei eh viel günstiger. Ein Jahr lang habe ich den Kinderwunsch ruhen lassen.“
Weiter ging es dann mit Katja (38 Jahre), die den Satz ihrer Kinderwunschärztin noch erinnerte.
Warten Sie doch einfach noch ein wenig, als alleinerziehende Mutter finden Sie später keinen Partner mehr.
Kurze Zeit später schrieb die nächste, nennen wir sie mal Anna. Sie erzählte von ihrer Erfahrung mit ihrer Gynäkologin:
„Sie wissen ja überhaupt nicht, worauf Sie sich einlassen.“
„Doch, weiß ich. Ich bin selbst das Kind einer Alleinerziehenden.“
„Dann haben Sie ein negatives psychologisches Muster. Da müssen Sie auflösen und dann kriegen Sie auch einen Mann!“
Ich hab danach stundenlang geweint.
„Der Arzt sagte, mein Wunsch wäre ungewöhnlich, ich soll erst mal eine Psychotherapie machen, dann wiederkommen.“
Und schließlich erreichen mich immer mehr Zuschriften. Heute möchte ich Linda zu Wort kommen lassen. Linda, vielen Dank, dass Du Deine Erfahrungen teilst:
Ich ließ es über mich ergehen, weil ich mir nicht zu helfen wusste.
Kurz zu meinem Hintergrund: ich versuche seit knapp anderthalb Jahren Solomama zu werden, insgesamt sind es inzwischen schon zwei Jahre, die ich aktiv bei verschiedenen Ärzt*innen in Behandlung bin. Da ich in einem Bundesland lebe, das die Kinderwunschbehandlung bei Alleinstehenden nicht unterstützt, musste ich auf eine Kinderwunschklinik rund 200 Kilometer von meinem Wohnort entfernt zurückgreifen. Um nicht für jeden Ultraschall vor einer Insemination 200 Kilometer fahren zu müssen, suchte ich Hilfe bei einem ortsansässigen Kinderwunschzentrum. Mehrere Gynäkolog*innen dort waren sehr unterstützend und entschuldigten sich mehrfach bei mir, dass sie die Inseminationen nicht selbst durchführen können. Eines Tages geriet ich jedoch zum Ultraschall an den einzigen männlichen Kollegen in der Praxis. Wir kannten uns noch nicht, also trug ich ihm mein Anliegen vor. Seine Reaktion hat mich regelrecht traumatisiert.
Er reagierte völlig entrüstet auf mein Vorhaben und empfahl mir in recht abfälligem Ton, mir mal einen Mann zu suchen.
Ich rechtfertigte mich (ich weiß gar nicht, warum), dass ich bereits verheiratet gewesen sei, der Mann mich aber kurz nach der Hochzeit betrog und mich zudem angesichts meines Kinderwunsches verließ. Daraufhin ließ er mich wissen, dass er schon lange nicht mehr verheiratet wäre, wenn seine Frau das mit der ehelichen Treue so eng sehen würde wie ich. Mir stiegen die Tränen in die Augen und ich war wie vor den Kopf gestoßen. An dieser Stelle setzte ein Autopilot bei mir ein, ich wollte diese Begegnung nur noch hinter mich bringen.
Er gab mir dann den Tipp, doch mal eine Kontaktanzeige zu schalten oder eben „mal auf den Bahnhof“ zu gehen, dort würde ich schon einen Mann finden und müsse auch nicht „dafür“ bezahlen.
Als er den Ultraschall machen wollte, zuckte ich weg als er mich berührte. Er tätschelte mir das Bein und sagte:
„Na na, wenn sie immer so schauen, klappt das nicht mit den Männern, da müssen sie auch mal zurücklächeln. Vielleicht fahren Sie einfach mal Straßenbahn, dort trifft man ja immer viele Menschen.“
Zum Abschluss sagte er mir noch, dass er von Inseminationen nichts halte, mir gleich eine IVF empfehlen würde (die einzige fachliche Meinung, die er abgab) und prahlte damit, dass er ja seiner Frau ohne die Hilfe der Reproduktionsmedizin zwei Kinder „gemacht habe“. Ich verließ die Praxis weinend und völlig verstört. Ich erinnere mich noch, dass ich im Anschluss schluchzend in einem Meeting auf Arbeit saß und mir irgendeine Geschichte für meinen Zustand einfallen lassen musste. Das Erlebnis hat mich sehr mitgenommen und verunsichert. Nachdem mehrere Inseminationen erfolglos blieben, gab ich meinen Kinderwunsch zwischenzeitlich auf. Unter anderem auch, weil mich dieser Arzt sehr verunsicherte.
Als ich meiner Mutter von diesem Arztbesuch erzählte, brach sie in Tränen aus. Erst ihre Reaktion verdeutlichte mir, dass der Arzt völlig übergriffig gehandelt hat. Ich selbst hatte bis dahin unter Schock gestanden und es verdrängt.
Mir ist bewusst, dass ich diesen Vorfall eigentlich bei der Ärztekammer oder auch der Praxis hätte melden müssen. Tatsächlich habe ich aber vor den Konsequenzen zu große Angst und fürchte, dass ich dann in dieser Praxis nicht mehr behandelt werde. Das möchte ich nicht riskieren, denn inzwischen habe ich die Kinderwunschbehandlung wieder aufgenommen und bin auf die Hilfe der Praxis angewiesen. Die Beiträge auf Deinem Kanal haben mir deutlich gemacht, dass ich (leider) nicht ganz allein bin mit meinem Erlebnis und auch meinen Gefühlen. Das zu wissen, hilft mir sehr.
Diskriminierung von Solomüttern – nur Einzelberichte?
- Der Weg der Solomutterschaft ist nicht diskriminierungsfrei.
- Viele Menschen wissen noch wenig über den Weg der Solomutterschaft. Es gibt aber auch viele Vorurteile ggü. Solomütterfamilien.
- Auch Fachkräfte sind nicht immer für den Weg der Solomutterschaft sensibilisiert, selbst wenn sie Alleinstehende behandeln.
- Solomütter werden nicht nur diskriminiert, sondern werden manchmal auch Opfer von Abwertung, (Macht-)Missbrauch und Gewalt.
- Das sich Wehren gegen eine solche Behandlung ist oft mit einer Angst verbunden, nicht mehr behandelt zu werden und den Kinderwunsch aufzugeben, solange die Situation noch immer so ist, wie sie heute ist: In jedem Bundesland gibt einen individuellen Umgang mit der Behandlung von Solomüttern. Ein unsichtbarer Flickenteppich von Kliniken, die bereit sind, Alleinstehende zu behandeln. In jeder Klinik gibt es andere Voraussetzungen. Je nachdem, wie die Richtlinien der Landesärztekammer gefasst sind. Aber unabhängig davon zählt auch die „Klinikphilosophie“ und die persönliche Einstellung der* Ärzt*in zur Solomutterschaft. In manchen Bundesländern gibt es einfach noch zu wenig Alternativen, sodass Wunschmütter manchmal keine Wahl haben und eine solche Behandlung wie bspw. Linda hier beschrieben hat, in Kauf nehmen.
- Es gibt nicht wenige Menschen, die glauben, es sei die bessere Option, einen One-Night-Stand einzugehen mit dem Ziel einer Schwangerschaft unter dem Risiko einer Geschlechtskrankheit und der Nichtkontaktierbarkeit des „Spenders“. Es sei also besser ungeschützten (unter Umständen) häufigen Sex zu haben, mit irgendwelchen Menschen, die ich nicht kenne. Aber wird nicht gerade manchmal auch Solomüttern vorgeworfen, das Wohl des Kindes zu gefährden?
- Ebenfalls steckt vielleicht das Vorurteil dahinter, Frauen gingen den Weg der Solomutterschaft, weil sie krank sind, therapiebedürftig, weil mit ihnen etwas nicht stimmt. Wir haben also versagt, es nicht „hinbekommen“ und sollen also schön die Zähne zusammenbeißen und ja nicht so anspruchsvoll sein, uns einfach nicht so haben. Also wer ein Kind will, muss auch Kompromisse machen? Ernsthaft?
Und an dieser Stelle wird zumindest klar: Hinter diesem altem verstaubtem Frauenbild stecken patriarchale Strukturen und Denkweisen. Solomutterschaft ist insofern auch ein feministisches Thema.
Diskriminierung von Solomüttern – Was kannst Du tun?
- Als allererstes: vertraue Dich einer Person an. Erzähle von Deiner Geschichte: All diese Erfahrungen sind nicht ok, das Verhalten dieser vermeintlichen Fachkräfte: NICHT OK.
- Schreib es auf, um Dich erinnern zu können, vielleicht später zu sortieren.
- Mögliche Schritte und Anlaufstellen könnten z.B. sein, sollten aber individuell abgewogen werden.
- Aussprache bspw. mit Ärzt*in oder Klinikleitung
- Anti-Diskriminierungsstelle
- BKiD
- Solomütter Deutschland e.V.
- Meldung bei der Ärztekammer
- Anzeige der* Ärzt*in
- therapeutische Hilfe bei Traumatisierung/ Verarbeitung einer solchen Situation
Mir war anfangs gar nicht bewusst, wie große diese Büchse der Pandora ist. Ich höre diese Geschichten immer wieder. Auch noch heute. Ich höre Euch! Ihr seid nicht allein. (Leider) werde ich weitere Geschichten teilen. Der nächste Artikel ist bereits in Arbeit.
Und trotzdem!!! Diskriminierung von Solomüttern kommt gelegentlich vor. Aber ich will hier kein falsches Bild zeichnen. Diese Erfahrungen hier sind nicht der Standard. Viele Kliniken empfangen Alleinstehende selbstverständlich und absolut sensibel. Ein wirklich großer Teil von Wunschmüttern und Solomüttern berichtet von überwiegend positivem Feedback. Dies ist auch immer wieder bei den Vernetzungstreffen Thema. Schau doch gern mal rein und tausch Dich aus. Auch wenn Dir so etwas wie in diesem Artikel beschrieben widerfahren ist. Auch, um zu sehen, dass es nicht überall so ist. Auch um auf verständnisvolle Ohren zu treffen.
Und wenn Du Lust hast, gegen solche Diskriminierungserfahrungen anzukämpfen: Der Verein Solomütter Deutschland e.V. freut sich über neue Mitglieder. Gemeinsam wollen wir z.B. informieren, Vorurteile abbauen und aufklären.