Katharina Horn

Berliner Samenbank

Samenbanken unter der Lupe, Teil 2

Samenbanken unter der Lupe – Teil 2: Berliner Samenbank

Im zweiten Teil meiner Reihe „Samenbanken unter der Lupe“ habe ich die Berliner Samenbank ausgesucht. Für dieses Interview spreche ich mit Frau Klym. Seit nun fast 2 Jahren veranstalte ich mit Frau Klym Online-FAQ-Runden zum Thema Samenspende & Ablauf an der Samenbank. Von ihr habe ich bereits so viel gelernt und dafür schon mal danke im Voraus.

Berliner Samenbank

Vorstellung Berliner Samenbank

Hallo Frau Klym, vielen Dank für dieses Interview. Können Sie sich kurz vorstellen?

Mein Name ist Ann-Kathrin Klym. Ich bin Diplom-Ingenieurin für medizinische Biotechnologie und leite seit 11 Jahren mit großer Freude das Labor der Berliner Samenbank.

Wie viele Personen wenden sich an Sie, die beabsichtigen, Solomutter zu werden?

Die Tendenz ist seit 2018 sehr stark steigend. Im gesamten Jahr 2018 machten alleinstehende Frauen 20% der Empfängerschaft aus, 2019 stieg der Anteil auf 30% und im Jahr 2022 machen die Singlefrauen bereits 40% unserer Kundschaft aus. Die Heteropaare rücken in den Hintergrund und es sind hauptsächlich alleinstehende Frauen und lesbische Paare, die uns konsultieren und die das wahrscheinlich unter sich irgendwann relativ gleichmäßig aufteilen werden. Vor 5 Jahren war es noch so, dass nur lesbische Paare und Heteropaare bei uns Samen kauften, (und die Heteropaare waren in der Mehrzahl). Seit dem Samenspenderregistergesetz hat sich das verändert, ich vermute, in 1- 2 Jahren werden wir in der Mehrzahl alleinstehende Frauen behandeln.

Gibt es denn Unterschiede zu Paaren?

Mit alleinstehenden Frauen hat man mehr Kontakt und redet mehr, weil man da merkt, dass der zweite Part fehlt. In einer Beziehung tauschen sich die Paare untereinander mehr aus und dann sind wir praktisch nur noch so eine Schnittstelle, während die alleinstehenden Frauen mehr Fragen stellen. Dadurch stehen wir mit denen häufiger (zeitlich gesehen) im Kontakt.

Aber das unterscheidet sich preislich nicht, oder?

Mittlerweile mussten wir dazu übergehen, die Gespräche zu berechnen, da sie oft sehr zeitintensiv sowie individuell und detailliert ausfallen und wir der einzelnen Frau viel Aufmerksamkeit widmen. Aber erst dann, wenn man sich für einen Kandidaten entscheidet und schriftlich Proben bestellt, fällte die Grundgebühr an: Erst dann wird alles verbindlich. Preisliche Unterschiede zwischen Frauen und Paarkonstellationen gibt es aber nicht.

Wie ist denn der Ablauf konkret bei euch?

Es gibt eine Möglichkeit, einen ersten Eindruck über die Spender im Internet zu bekommen. Das würden wir aber nicht wirklich empfehlen, denn das sind nur Zahlen und Daten und man hat nicht diese menschliche Komponente dabei. Wir würden den zweiten Weg empfehlen, dass man sich das Infomaterial von uns entweder zuschicken lässt oder runterlädt und dann kann man erstmal eine Tabelle ausfüllen. Das ist ein Stammblatt mit den Stammdaten und da kann man rudimentär eintragen, was einem beim Spender wichtig ist. Und dann kann man zusätzlich noch alles ausformulieren oder Fotos mitschicken und einfach mitteilen, was einem wichtig ist.

Manche halten sich da auch sehr kurz, Andere schicken Collagen mit von ihrer ganzen Familie, weil sie eine möglichst hohe, optische Übereinstimmung haben möchten. Und dann würden wir anhand dieser Angaben eine erste Vorauswahl erstellen. Die umfasst, je nachdem, wie viele wir finden, zwischen drei und acht Spendern, im Schnitt selten weniger, meistens sogar ein bisschen mehr. Weil wir versuchen, alle einzubeziehen, die potenziell in Frage kommen könnten. Und dann wird meistens, wenn diese erste Vorauswahl erstellt wurde, nochmal ein Gesprächstermin wahrgenommen, dann redet man über die einzelnen Kandidaten, über die Favoriten und über die, die die Interessentin ausgeschlossen hat. Da empfehlen wir auch, die einmal Ausgeschlossenen gar nicht mehr mit rein zu nehmen. Denn, wenn einmal so eine Bauchentscheidung getroffen worden ist, sollte man jetzt keine Energie mehr dafür verschwenden. Die Spender, die interessant sind, da kann man sich dann diese erweiterten Angaben zuschicken lassen. Die bauen wir auch gerade ganz stark aus. Wir haben gerade aktuell unsere Fragebögen verändert: Wir möchten die eine Seite des Fragebogens, auf der die Motivation und weitere Kriterien nachzulesen sind – handschriftlich vom Spender geschrieben- zur Verfügung stellen. Dann kann man Kinderfotos von den Spendern einsehen. Die Fotos haben mittlerweile auch fast alle Spender abgegeben, nicht nur Babyfotos, sondern teilweise bis 10, 12 Jahre alt. Oder auch ganze Collagen.

Das ist aber neu, oder?

Fotos haben wir schon, ca. zwei – drei Jahre. Die Spender werden immer freigiebiger und ich glaube, es liegt daran, dass auch gerade eine andere Generation Männer spendet. Diese Männer, die jetzt spenden, die sind sich so ihrer Sache sicher, so aufgeklärt und so offen. Wir holen auch immer das Feedback ein, wie es Ihnen denn geht, wenn sie einen Brief vom BfArM bekommen, in dem gesagt wird, dass ein Kind geboren wurde.

Informationen des BfArM

Die sagen alle: „Wir freuen uns total.“ Ein Spender hat uns auch Geschenke mitgebracht, weil er sich so gefreut hat. Man merkt, dass den Kindern gegenüber einfach eine große Offenheit herrscht. Das war bestimmt vor 20 Jahren nicht der Fall. Und die Spender beantworten auch Zusatzfragen: Wenn eine Frau jetzt sagt, sie muss noch unbedingt wissen, welche Augenfarbe die Oma hatte, was er hier mit diesem Satz meint oder was dieses Hobby bedeutet, dann kontaktieren wir den Spender und fragen nach. Bisher wurden alle Anfragen beantwortet. Teilweise gab es nur eine kurze Antwort. Teilweise hat der Spender nochmal einen ganzen DIN A 4 Bogen zurückgeschickt. Und das ist halt diese Schnittstelle – da versuchen wir dann, dieses Individuelle zu realisieren, indem wir gucken: „Was hat die Frau jetzt genau für ein Anliegen, wie tragen wir das an den Spender weiter?“ Und dann antwortet uns der Spender auch individualisiert. Ja, und ich fühle einfach, dass gerade so eine andere Zeit angebrochen ist. Das sind andere Männer als noch vor 10 Jahren, als ich anfing.

Was sind denn das für Menschen?

Wir wundern uns selbst mal, das ist so tolle Persönlichkeiten sind. Das sind Männer, die an sich erstmal gesünder sind als der Durchschnittsmann. Also man muss medizinisch ziemlich hohe Hürden nehmen, aber dann auch von der Persönlichkeit und vom Charakter her. Wir lernen die Personen auch gut kennen, die kommen für ein bis zwei Jahre ein bis zweimal pro Woche zur Spende zu uns und während dieses Zeitraums haben wir auch jedes Mal ein Gespräch, so dass wir dann auch irgendwann den Mann einfach einschätzen können. Also irgendwann weiß man, wie er ist und dann kann man ihn, derjenigen Personen auch beschreiben.

Die wissen alle, was sie tun, mit welcher Verantwortung das verbunden ist, dass später Kinder auf sie zukommen könnten.

Sie wissen zwar, dass das Kind eigentlich nur das Recht hat, die Daten zu erfahren, das aber wahrscheinlich diejenigen, die Daten haben, dann auch irgendwie Kontakt aufnehmen werden.

Die meisten Spender haben auch ihre Partnerin (wenn sie eine haben) eingeweiht und sind ganz offen bzw. die gesamte Familie weiß Bescheid. Es sind sehr offene Männer ihrem Tun gegenüber. Ich wünsche mir einfach, dass es gesellschaftlich auch so abgebildet wird, dass der Spender aus dieser dunklen Ecke rauskommt. Die machen das nicht des Geldes wegen. Wir haben auch Spender, die gar keine Aufwandsentschädigung möchten. Die Motivationen sind zwar zu 30% auch finanziell geprägt, also das ist schon ein schönes Taschengeld irgendwie, aber während der Spendetätigkeit merken selbst die, die anfangs gesagt haben, „Ich mache das Geld deswegen.“, dass da mehr dahintersteckt und spätestens, wenn der erste Brief kam, da wurde ein Kind geboren, ändern die sich komplett. Deswegen werden wir jetzt den Fragebogen auch zu Anfang der Spendetätigkeit ausfüllen lassen und nochmal zum Ende und gucken was hat sich verändert.

Motive eines Samenspenders

Das sind alles superangenehme Charaktere. Aber wenn wir merken, man könnte diese Person jetzt keinem Kind zumuten, weil die einfach nicht weiß, was dahintersteht, dann schließen wir denjenigen auch aus. 

Vom sonstigen Profil her ist das ein Schnitt durch die Gesellschaft. Das sind Männer im Alter von 20 und 38 Jahren. Es sind Studenten, Handwerker, Professoren also von den Berufsbildern ist alles dabei. Dann sind es verschiedene Identitäten, also so wie Berlin bunt ist. So sind auch die Spender.

Genau und menschlich sind wir einfach wirklich selbst immer verblüfft, was es für tolle Menschen sind.

Aber das heißt, wenn Sie merken, der Spender ist sich der Konsequenzen (noch) nicht bewusst, schicken Sie ihn dann weg?

Der Aufnahmeprozess verläuft in Etappen. Es gibt zuerst den Termin zum Ausfüllen des Fragebogens und zur ersten Samenabgabe. Wenn das in Ordnung ist, kommt es zur Blutuntersuchung. Da gibt es auch nochmal ein Gespräch. Wenn das dann in Ordnung ist, dann gibts das ganz ausführliche Gespräch mit Doktor Peet. Danach besteht noch mal Bedenkzeit und da gibt es auch einige Spender, die dann abbrechen. Selbstverständlich können wir auch von unserer Seite aus das Vertragsverhältnis beenden bzw. gar nicht erst aufnehmen.

Kann ein Spender, der bereits gespendet hat, den weiteren Verkauf seiner bereits gespendeten Samen stornieren?  

Ja, das kann sein, der Spender könnte prinzipiell jederzeit sein Einverständnis zurückrufen. In den Fällen, wo das passiert ist, da hat der Spender aber immer gesagt, „die Verwendung für Geschwisterkinder ist in Ordnung. Ich möchte nur nicht, dass neue Familien entstehen, das reicht mir jetzt von der Verantwortung her, aber innerhalb dieser einen Familie soll es biologische Vollgeschwister geben.“

Wie geht es den Samenspendern, wenn sie sich bei Ihnen in diesen ganzen Prozess begeben?

Unsere Spender sind meist sehr bodenständig, gerade anfangs sind sie meistens erst noch zurückhaltender, aber mit der Zeit werden sie auch offener. Über diesen langen Zeitraum merken unsere Spender, dass es hier auch eine Art Schutzzone gibt. Wir versuchen immer nur einen Spender zu einer Zeit einzubestellen, so dass sich weder Spender untereinander begegnen noch Empfängerinnen und Spender. Dann stellen wir unsere Zeit exklusiv für den jeweiligen Spender zur Verfügung. Dazu bieten wir aber auch das Angebot an, dass Spender sich untereinander vernetzen können. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, den Spender (in diesem ganzen Prozess) auch mehr zu berücksichtigen und den Spender auch in ein besseres Licht zu stellen und nach außen hin auch seine Bedürfnisse wahrzunehmen.

Oft kommt in der Beratung die Frage: „Sind die Spender gesund?“ Auf welche Erkrankungen wird untersucht?

Die Anlage 4 der TPG-Gewebeverordnung hält aktuell fest, auf welche Infektionskrankheiten wir untersuchen müssen. Das sind eben HIV1,2, Hepatitis B und C, Gonokokken (Tripper), Chlamydien, Treponema pallidum (Syphilis), verschiedene Infektionskrankheiten, aber auch solche Erreger wie Malaria, wenn jemand in einem Risiko Gebiet war. Also zu jeder Spende gehört auch immer eine Abfrage bestimmter Punkte. Und dazu gehört auch „Waren Sie verreist?“ und „Wo waren Sie verreist?“. Und dann müsste man gucken ist das z.B. ein Zika-Risiko Gebiet … Da gibt es schon sehr klare Vorgaben. Dann gibt es ein ärztliches Gespräch zwischen Spender und Doktor Peet, der auch noch den Bereich, der die neurologischen psychologischen, also alle anderen Erkrankungen abdeckt. Betrachtet wird die Familienanamnese bis zur Verwandtschaft dritten Grades, wo der Spender angeben muss, ob ein Verwandter betroffen ist oder er selbst? Und dann würde das eben gegebenenfalls zum Ausschluss führen.

Dann machen wir von jedem ein Karyogramm, das heißt, wir gucken: Hat der Spender einen normalen männlichen Chromosomensatz. Wenn nicht, ist das schon mal ein Ausschlusskriterium. Dann könnte man noch auf die Trägerschaft von genetischen Erkrankungen untersuchen, das aber nicht in einem offenen Verfahren, weil wir alle Träger sind, sondern nur in einem Genmatching-Verfahren. Das heißt, die Frau kann ihr Profil mit dem des Spenders matchen lassen und bekommt als Ergebnis „passt“ oder „passt nicht“. Aber wir wüssten nicht, warum es nicht passt.

 

Genmatching

Diese Informationen sind aber nicht allgemein öffentlich einsehbar. Wir matchen wirklich nur Empfängerin und Spender, denn sonst könnten wir keinen Spender mehr aufnehmen, da wir alle Menschen Mutationen solcher genetischen Erkrankungen in uns tragen, ohne dass die Erkrankung bei uns ausbricht. Wir können sie nur vererben und dann kommt es darauf an, ob zwei Individuen sich vermehren, die genau an derselben Stelle diese Mutation haben.

Grundsätzlich gibt es über den Samenspender Zusatzinfos: eine ausführliche Familienanamnese, die körperliche Untersuchung und eine permanente Infektionsüberwachung (durch die regelmäßigen Blutuntersuchungen, die dort stattfinden.) Und wir haben jedes Mal so einen kleinen medizinischen Fragenkatalog und führen Gespräche mit den Spendern.

Gibt es denn typische Kriterien, die speziell angehende Solomütter häufig auswählen?

Häufig sind sie in ihrer Vorstellung (beim Erstkontakt) sehr ausführlich. Manche von ihnen schreiben dann, was ich ganz sympathisch finde „Wahrscheinlich habe ich jetzt irgendwas ganz Utopisches aufgeschrieben, aber ich habs einfach mal mitgeteilt“ und sind sich selbst bewusst, dass das wahrscheinlich kein Mann alles zusammen erfüllen können wird. Es ist auch schwer, sich daranzutasten. Natürlich teilt man dann alles mit, was einem wichtig ist. Man merkt, dass die Frauen sich im Vorfeld sehr viel damit auseinandergesetzt haben. Das sind ausführlichere Texte, die wir bekommen oder auch Collagen.

Es gibt Interessent*innen, wenn man das so sagen kann, die mehr auf die inneren Werte achten und dann welche, denen das Aussehen sehr wichtig ist und dann noch diejenigen, wo alles perfekt sein soll.

Wir haben jetzt niemanden im Programm, der optisch nicht ansprechend ist. Wir schließen auch diejenigen aus, die zum Beispiel irgendwelche Anomalien haben, die einfach nicht vertretbar wären. Wenn es Spender sind, z.B. bei denen die Nase ganz weit links im Gesicht sitzt oder mit starken Segelohren bspw., die ansonsten ein ganz tolles Profil haben, dann würden wir von dem Spender weniger Proben sammeln und den potentiellen Empfängerinnen dieses Attribut mitteilen. Dann müssen wir halt einfach transparent sein, sonst wäre das nicht schön für alle Beteiligten.

Für viele Wunschmütter ist die Wahl des Samenspenders, die konkrete Entscheidung für diese eine bestimmte Person ein meterhoher Meilenstein. In meinem Beitrag Samenspender wählen habe ich versucht ein paar Entscheidungshilfen mitzugeben. Haben Sie einen Tipp für angehende Solomütter, wie sie die Spenderwahl angehen können?

Vielleicht könnte man überlegen, wie man sich selbst als Person wahrnimmt und, ob man das vielleicht eher unterstützen oder ausgleichen möchte. Also bezogen auf Charaktereigenschaften, da gibt es einige Frauen, die sagen „ich bin selbst so introvertiert, der kann ruhig extrovertiert sein“. Dann gibt es aber auch welche, die sagen „Ich bin so introvertiert, ich will auch einen introvertierten Spender.“ Ob das Kind dann so wird, ist eine andere Frage, aber, dass man so ein bisschen über sich selbst nachdenkt oder über die eigene Familie, was man unterstützen und fördern oder ausgleichen möchte. Ja, ich glaube, ich würde es unterteilen eben: Habe ich phänotypische Ansprüche und was ist mir vom Charakter her wichtig? Und dann sich auch darauf einlassen: Wie wirkt diese erste Auswahl auf mich? Also erst, wenn man dann wirklich konkrete Vorschläge hat, dann kann man das wirken lassen und gucken, auch intuitiv vorgehen und sagen, ja, Spender 1 finde ich nicht so ansprechend, den streiche ich. Spender 3 und 4 finde ich irgendwie sehr interessant und bei Spender 5 müsste ich das Foto noch sehen. Also wirklich schrittweise sich herantasten. Wir lassen diese Vorauswahl auch von Anfang an so groß wie möglich: Das heißt, die Frau kann dann selbst wegstreichen. Wir würden niemandem vorenthalten, sondern wenn eine Mitarbeiter*in von uns das Gefühl hat, der Spender muss noch mit auf die Liste, dann kommt er auch auf die Liste.

Kennen Sie Merkmale, bei denen die genetische Komponente (und somit die Chance auf Vererbung) eher gering ist?   

Da bin ich jetzt keine Expertin, letztlich entscheidet die Natur. Also es gibt ja auch biologische Vollgeschwister mit demselben Vater oder Spender oder Mutter, und die sind so unterschiedlich. Die Natur macht am Ende sowieso nochmal das, was sie möchte. Es ist egal, wie viel wir uns da im Vorfeld ausdenken. Letztlich sind die Eltern und Mütter dann immer total zufrieden mit dem Spender, den sie ausgewählt hatten, wenn das Kind da ist. Ja, das ist immer total schön zu sehen, wie (im positiven Sinne) verliebt sie dann auch in den Spender und wie dankbar sie sind.

Ich glaube, beim eigenen Kind achtet man dann nicht aufs Aussehen. Man findet es ja von Natur aus irgendwie toll und will einfach nur, dass es diesem kleinen Menschen gut geht. Es gab Fälle, da hat sich das phänotypisch wirklich anders entwickelt, als angenommen, und die Familien haben aber gesagt: „Nein, das ist überhaupt kein Problem. Wir wollten ihnen das nur mitteilen“, oder „Aber das tut der Liebe zu unserem Kind keinen Abbruch“ Solche Dinge passieren einfach, weil die Natur dann doch noch ein bisschen eigenständig macht, was sie möchte.

Ich mache manchmal die Erfahrung, dass sich manche Klient*innen sehr unwohl fühlen, auf diesem ganzen Prozess: Da wird das Sperma einer mir fremden Person eingeführt. Manche haben das Gefühl, das nicht kontrollieren zu können und fühlen sich dabei sehr unwohl. Kennen Sie das von Ihrer Arbeit?

Ich kenne Fälle, da wird das erste Kennenlernen nach der Geburt so herbeigesehnt, weil man endlich erlöst sein möchte. „Wie sieht dieser Mensch aus?“. Ich habe einmal mit einer hoch schwangeren Patientin gesprochen, die meinte dann auch. „Ich will jetzt da endlich Entspannung in diesem Bereich haben, weil noch weiß ich halt über Ultraschall, wie es aussieht. Aber wenn ich es dann später kennenlerne, bin ich auf dieses erste Gefühl gespannt“. Und ja, da gibt es manchmal auch die Angst, bis zu dem Moment, wo man das Kind sieht und kennenlernt mit den Fragen: „Werde ich das Kind annehmen können?“ oder „Werde ich es komisch finden, weil irgendetwas gar nicht zu mir passt? Würde das Kind auf ein Merkmal angesprochen werden, weil das in unserer ganzen Familie nicht vorkommt?“ Diese Gedanken gehen dann im Alltag zum Glück unter und sind dann nicht mehr wichtig.

Meiner Erfahrung nach achten Wunschsolomütter oft nicht oder nicht nur auf das Aussehen, sondern mehr auf bestimmte Werte oder die Motivation des Spenders. Viele analysieren, ja dann auch quasi die Handschrift und durchforsten die Audio-Voice-Beiträge. Audios gibt es aber noch nicht bei Ihnen?

Noch nicht. Im Einzelfall haben wir überlegt, ob wir das zur Verfügung stellen könnten. Das ist technisch noch ein bisschen schwierig. Der neue aktuelle Fragebogen ist auch nochmal von Frau Doktor Petra Thorn abgesegnet. Den haben wir mit ihr zusammen entwickelt. Und dann gibt es diese eine Seite, die wir dann später handschriftlich zur Verfügung stellen wollen, die öffentliche Seite für Empfängerinnen und Kinder. Die anderen Seiten sind eben für unser Archiv und andere Fragen, die noch abgedeckt sind.

Von ein paar Spendern haben wir bspw. Geruchsproben. Gibt es jetzt eine Frau, der ist die Stimme sehr wichtig, dann gucken wir, ob der Spender zustimmt, in welcher Form auch immer wir ihr das dann zur Verfügung stellen.

In welchem Verhältnis stehen Sie als Berliner Samenbank zu anderen Samenbanken?

Es gibt z.B. das Jahrestreffen des Arbeitskreises Donogene Insemination.

 

Das ist auch immer ein ganz tolles Treffen, wo wir uns als Samenbanken deutschlandweit austauschen. Wir sind auch alle sehr freundschaftlich verbunden. Also da gibt es null Konkurrenz, weil jede Samenbank ausgelastet ist. Also das ist Wahnsinn. Wahnsinn wirklich. Das ist dann auch wie eine so eine Bugwelle gerade, die wir vor uns herschieben, weil jede Frau ja nicht mit der ersten Behandlung leider schwanger wird und dann potenziert sich das. Die Nachfragen sind enorm und auch während des letzten der letzten zweieinhalb Jahre während Corona so stark gestiegen.

Gibt es noch Samenbanken, die keine Singles behandeln?

Ja, mhm genau. Aber es gibt jetzt für uns da keinen Grund, alleinstehende Frauen auszuschließen. Viele fragen auch, ob es eine Altersgrenze gibt. Für uns als Samenbank nicht, solange die Frau ihren Eisprung hat, ist das für uns kein Problem. Manche Praxen sagen eben bis 47 – 50.

Oder bis 45 sogar nur. Welches Angebot haben Sie bei der Berliner Samenbank für die Suche nach Halbgeschwistern?

Bei uns kann man sich in eine Datenbank aufnehmen lassen. Das soll aber am besten vom Kind ausgehen. Wir wollen jetzt nicht, dass die Familien sich unbedingt untereinander vernetzen, weil wir auch schon Teenagerkinder kennengelernt haben, die das gar nicht wollten. Das ist ein bisschen tricky, weil man natürlich als Eltern für sein Kind alle Rechte und Pflichten hat.

Man kann sich dann aufnehmen lassen und dann sagen, ob man Kontakt zu Halbgeschwistern oder nur zu anderen Kindern, die auch durch Samenspende entstanden sind haben möchte. Das Kind sollte schon seine Meinung äußern können.

Das ganze Thema ist so vielfältig und da verweise dann auch immer an die Stellen, wo diejenigen kompetent beraten sind. Oder, wenn es eine Offenlegung gibt von Identitäten, dann gebe ich den jungen Erwachsenen auch immer noch was mit an die Hand und sage: „Ich kann sie jetzt hier nur irgendwie zwischenmenschlich beraten. Wenn es da noch irgendwie Redebedarf gibt oder irgendwelche Ängste oder Fragen entstehen, dann gibt es professionelle Stellen.“ Ich habe dann hier verschiedene Flyer, die ich noch mitgebe.

Dass das ist auch echt ein spannendes Thema. Das wird in der Solomutter-Community auch wirklich schwer diskutiert wird: Ich suche von Anfang an die Halbgeschwister. Das kann ja soweit gehen, dass manche Wunschmütter explizit den gleichen Spender wählen, um vorab Halbgeschwister festzulegen. Auf der anderen Seite sagen viele Solomütter: „Nein, das ist die Entscheidung meines Kindes und ich erzähle meinem Kind ´du hast die Möglichkeit und wenn du soweit bist´.“ (Und erst dann) werden die Kinder bei der Halbgeschwistersuche unterstützt. Selbst in der Solomuttercommunity ist dieses Thema sehr umstritten.

Vom BfArM beispielsweise, da gab es drei Ablehnungen, wo den Müttern nicht die Identität des Spenders preisgegeben wurde, weil das Kind einfach noch ein Säugling war. Da hat das BfArM auch gesagt: „Im Gesetz steht das zwar so, aber wir können jetzt hier nicht feststellen, dass das im Interesse des Kindes ist.“

In unserem Fall über die Samenbank war das jüngste Kind, was die Daten zu Identität mitgeteilt bekam, 7 Jahre alt. Und sobald das Kind diese Entscheidung wirklich treffen kann, da wirklich ein Bedürfnis besteht und wenn dies zur Verbesserung der Lebenssituation des Kindes beitragen würde, weil das vielleicht nicht mehr so gestresst ist und jeden Mann anguckt und denkt „Ist das der Spender?“, dann ist es im Interesse des Kindes.

Aber ich kenne auch Geschwisterkinder. Das eine Kind sagt: „Ich möchte nicht wissen, wer der Spender ist und ich habe Angst, dass ich mich dann vor mir selbst ekle.“ Und das andere Kind ist ganz offen damit. Und das ist echt schwierig. Das ist einfach so eine Einzelfallentscheidung.

Der Weg der Samenspende ist leider immer noch stark tabuisiert. Was hier in Deutschland komisch und vielleicht anrüchig oder moralisch fragwürdig ist, ist in anderen Ländern Normalität. In Dänemark kommt die Samenspende einer Blutspende nahe. Woher kommt das?

Ich glaube, nicht nur die Samenspende, sondern der gesamte Bereich der Reproduktionsmedizin ist einfach politisch nicht repräsentiert. Es gibt ja nicht mal ein Fortpflanzungsmedizingesetz.

Seit 2007 sind wir dem Arzneimittelgesetz zugeschrieben und laut Paragraph 4 des Arzneimittelgesetzes sind Keimzellen keine Arzneimittel. Das schließt ja schon aus, dass reproduktionsmedizinische Einrichtungen darunterfallen, aber es interessiert niemanden. Obwohl das so viele Menschen in Anspruch nehmen oder nehmen müssen, ist das politisch überhaupt nicht auf dem Bildschirm. Das ist irgendwie egal. Und auch ich habe verschiedene politische Anliegen und Verbesserungsvorschläge, was die aktuelle Gesetzgebung angeht, wo man einfach ein paar Paragraphen austauschen müsste, wo ich auch konkrete Formulierungsvorschläge habe und dann natürlich den großen Wunsch für ein Reproduktionsmedizingesetz, was medizinische Aspekte bis hin zu ethischen Aspekten berücksichtigt –  also wirklich die ganze Palette abdeckt  – so, wie auch der Prozess Reproduktionsmedizin nicht nur etwas Technisches ist, sondern so viele emotionale und psychische Komponenten hat. Und die einzige Partei, wo man wirklich Antworten zurückbekommt, ist die FDP. Die haben auch ganz toll ausgearbeitet in ihrem Parteiprogramm, da stehen schöne Ansätze. Aber ansonsten interessiert das Niemanden. Das ist irgendwie erschreckend. Ich habe mit verschiedenen Mitarbeiter*innen von Politiker*innen gesprochen und da wurde ich fast entmutigt, dass es nicht zu einer Gesetzesänderung kommen wird. Und dann dachte ich mir aber, ich erlebe ja gesellschaftlich, dass es einfach immer mehr in Anspruch genommen wird und die Zahlen sprechen ja für sich.

Liegt es daran, dass die Leute sich nicht trauen, dieses Thema anzufassen oder, weil daran so viel hängt an Bestimmungen und Gesetzen?

Das ist ein sehr komplexes Thema. Was die ganze ethische Komponente angeht, so gibt es ja zum Beispiel von der Leopoldina aus dem Jahr 2019 schon dieses hundert Seiten dicke Pamphlet mit konkreten Empfehlungen und auch Fortpflanzungsmedizingesetze aus anderen Ländern wie Österreich beispielsweise. Also auf EU-Ebene, passiert gerade schon eine Menge. Da gab es im August 2021 gerade das letzte Treffen, wo auch insbesondere die Kinder, die aus Samenspende entstehen und auf die Spender noch mal in ein Licht überhaupt gerückt werden und als schützenswerte Gruppen identifiziert wurden. Und das finde ich total klasse, was auf EU-Ebene passiert und das auch schon wirklich lange. Genau darüber habe ich auch meinen letzten Vortrag auf dem DVR Kongress gehalten. Aber das kommt hier auf Staaten-Ebene in Deutschland noch nicht an. Das ist ein langer Prozess.

Mhm ja schade, weil das ist echt ein wichtiges Thema. Was werden denn ihre konkreten Forderungen? Ich habe verstanden, wir brauchen ein neues Gesetz Reproduktions-Medizin-Gesetz. Was noch? Was sind Ihre Wünsche?

Wir kommen ja aus dem medizinisch biologischen Bereich und ich würde natürlich mir diesen Bereich anschauen. Es muss natürlich der größtmögliche Schutz aller Beteiligten gegeben sein, aber die Untersuchungen auf Infektionskrankheiten, die wir gerade machen, die sind absolut überdimensioniert und die sind auch nicht nachhaltig. Also Stichwort „Nachhaltigkeit“. Und was wir an Müll produzieren durch diese unnötigen Untersuchungen ganz alleine, das ist schon ja, widerstrebt mir irgendwie. Eine Lösung wäre es Zahl der Untersuchung der Spender zu reduzieren, was nicht die Sicherheit der Proben einschränken würde.

Nach dem dänischen Modell, was schon auf EU-Ebene zugelassen ist, wäre das einfach umzusetzen. Da sträubt sich aber gerade die deutsche Politik dagegen. Das macht einfach keinen Sinn.

Und dann natürlich, dass man so eine Gesetzgebung interdisziplinär gestaltet und sich da austauscht, mit allen beteiligten Gruppen, von Mediziner*innen über Biolog*innen, Embryolog*innen bis hinzu, Psycholog*innen, Ethiker*innen und Jurist*innen. Und, dass man auch einfach schaut: „Was wird schon praktiziert?“ Da ja braucht es halt die Zusammenarbeit von vielen Experten und das muss auch irgendwie entbürokratisiert werden.

Es dürfte nicht vom Familienstand abhängig sein, ob die Krankenkasse Behandlungen übernimmt oder nicht. Auch bei Heteropaaren, wo der Mann keine Spermien hat, wird die Spendersamenbehandlung nicht finanziert. Obwohl Azoospermie eine Erkrankung ist. Das Gesetz müsste alle Punkte umfassen und das ist bestimmt ein großes Projekt, aber es gibt halt schon tolle Vorarbeiten. Wenn man die jetzt einfach mal umsetzen könnte, das wäre wünschenswert und was jeder da das zu beiträgt, was er kann aus seinem Fachbereich kann. Ja, das wäre toll.

Ich unterstütze das total und wenn ich mir auch noch was wünschen dürfte, dann wäre es kostenfreier Zugang zu psychosozialer Beratung für Kinder, Spender und Empfängerinnen. Was würden Sie denn sagen so wir spielen mal 20 Jahre vor so unter der Solomutter-Perspektive? Was ist ihre Vision? Samenspende in Deutschland für alleinstehende Person?

Wir nehmen gerade wahr, dass gerade der ganze gesellschaftliche Wandel rasant vonstattengeht und, dass wir immer akzeptierter und auch bunter leben können. Gerade in Großstädten wird das auch so sein. Und wenn ich auf die letzten 10 Jahre zurückblicke, was ich da getan hat, dann glaube ich: In 20 Jahren ist das hoffentlich alles sehr offen und keiner muss sich stigmatisiert fühlen wegen seiner Geschichte.

Es ist bestimmt auch noch mal kulturell unterschiedlich. Jetzt alleine auf Deutschland und unsere westliche Kultur bezogen glaube ich schon, dass es sich stark öffnen wird. Aber dann gibt es manchmal auch Paare aus anderen Kulturkreisen, die damit dann noch sehr bedeckt umgehen. Da darf auf jeden Fall niemand erfahren, wie das Kind entstanden ist und die Eltern wollen das auf keinen Fall ihrem Kind sagen. Dann kommt oft mein Argument: „Das Kind kann später seine Daten in der Gendatenbank einfüttern und dann wird es feststellen, dass die Person, die es für den Vater gehalten hat, nicht biologisch verwandt ist mit ihm. Wollen sie das?“ Das lässt sich nicht mehr vermeiden mit der heutigen Technik. Und ich glaube, es wird einfach ein Prozess sein. So wie die letzten 10 Jahre ein Prozess waren. Wenn man mir vor 10 Jahren gesagt hätte, dass der Spender so in den Fokus rückt, da hätte ich vielleicht auch noch gesagt – das kann ich mir nicht vorstellen. Aber mit dieser Erfahrung glaube ich, dass es in alle Richtungen offener und vernetzter wird und auch dieses neue Buch von Frau Doktor Thorn kennen sie bestimmt auch ne, da ist ja auch ein Spender da drin.

Die Kunst der Familienbildung

Genau das ist zeigt ja auch schon, dass die Spender, also dass es auf allen Seiten Öffnungen gibt.

Und dann, glaube ich, wenn die Kinder, die selbst aus so einem ja aus bunten Familienverhältnissen entstanden sind, Erwachsene sind, spätestens dann dürfte es ja noch offener werden, hoffe ich.

Das hoffe ich auch. Vielen Dank für das nette Gespräch und den Einblick in Ihre Arbeit Frau Klym.

Vielleicht hast Du Lust bekommen, mehr zu erfahren? Schau doch gerne mal bei der nächsten FAQ-Runde herein, melde Dich direkt bei der Berliner Samenbank oder Du kannst natürlich auch mich kontaktieren. Bedenke: Jede Samenbank arbeitet anders. Nimm in jedem Fall Kontakt auf und stelle Deine Fragen. Lass nichts unbeantwortet!!