Mother By Choice?
Solomütter haben sich diesen Weg nicht ausgesucht
Begriffsvielfalt im Bereich der Solomutterschaft
Mittlerweile kursieren viele unterschiedliche Bezeichnungen für Solomutter. Solomama, Singlemombychoice oder Choice Mom, es gibt noch weitere. Ich verwende den Begriff der Solomutterschaft. Heute aber möchte ich mich dem Thema der Choice/ Wahl auseinandersetzen. Hatten Solomütter eine Wahl? Haben Solomütter sich freiwillig für diesen Weg entschieden?
Warum sich viele für den Weg der Solomutterschaft entscheiden?
In meiner Beratung konnte ich vier verschiedene Ausgangslagen oder Motive ausmachen, mit denen die Klient*innen den Weg der Solomutterschaft antreten. Ich versuche mal, eine Schätzung abzugeben, wie sich die vier Typen verteilen. Dabei handelt es sich hier ausschließlich um die Wahrnehmung der Motivationslagen der Klient*innen aus meinen Beratungen.
Typ A
Hierunter zähle ich alle Personen, bei denen eine Kinderwunschbehandlung sofort starten muss, wenn bspw. die Ärzt*in sagt: “Also, wenn Sie noch ein Kind haben möchten, dann müssen Sie jetzt anfangen.” Oft kommt dieser Satz auch überraschend. “Ihnen bleibt nicht mehr viel Zeit!” Sofort baut sich hier ein Druck auf. “Will ich ein Kind, will ich jetzt ein Kind? Aber ich habe ja gar keine*n Partner*in. Was, wenn ich es bereue?”
Für diese angehenden Solomütter ist es besonders schwer, sie müssen ganz schnell entscheiden. Diesen Prozess, den andere Solomütter über Monate durchlaufen sind, müssen sie im Eiltempo hinlegen.
Das Wichtigste am Weg der Solomutterschaft ist es, sich bewusst auch für diesen Weg zu entscheiden, mit all seinen Konsequenzen. Wenn ich eigentlich den Weg der Solomutterschaft verurteile, diesen Weg aber nur gehe, weil ich jetzt sofort starten muss, dann sind das erst mal sehr ungünstige Startbedingungen. Sich dafür zu entscheiden, den Weg ohne Partner*in zu gehen, das ist ein Abschied. Oft ist dieser Abschied mit Trauer verbunden. Viele müssen den Weg, ein Kind mit eine*r Partner*in zu bekommen erst noch verabschieden, betrauern, zu Grabe tragen. Dazu ist ein Weg abseits der Heteronorm. Es erfordert Mut, diesen Weg einzuschlagen. Diesen Mut aufzubringen, das gelingt nur schwer, wenn ich eigentlich gedanklich immer noch an meinem Plan A hänge. Deshalb haben es insbesondere diese Personen besonders schwer.
Typ B
Die allermeisten meiner Klient*innen haben diesen Gedankenprozess bereits mehrere Monate durchlaufen. Bestenfalls haben sich sich bereits mit ihren Freund*innen oder der Familie besprochen, wurden zu diesem Weg bestärkt und ermutigt und konnten ihren Plan A loslassen. Die meisten von Ihnen hatten mehrere Beziehungen, aber es hat nicht geklappt. Wenn der Kinderwunsch größer wird, wird die Suche nach eine*r Partner*in schwieriger. Weil dann sowohl ein potentieller Vater für das gemeinsame Kind und gleichzeitig ein*e Partner*in gesucht wird. Die meisten Klient*innen entscheiden sich dann hier an dieser Stelle, “nein, so geht das nicht weiter, ich gehe erstmal den Kinderwunsch an und danach kümmere ich mich um eine Partnerschaft.”
Typ A** und Typ B**
** Von diesen beiden Typen A und B befinden sich meist noch etwa 15% in einer Partnerschaft, ich sage noch, weil viele Partnerschaften mit der Zeit in die Brüche gehen. Auch diese Personen sind bzw. werden Solomütter, denn sie gehen diesen Weg allein. Auch für diese Personen ist es besonders schwer. Manche mögen jetzt denken “Die haben es ja ganz gut, da ist doch eine Person, die logistischen, finanziellen und v.a. emotionalen Beistand leisten kann. Aber nein, genau das Gegenteil ist meist der Fall. Entscheidet sich ein Paar dafür, trotz der Kinderwunscherfüllung durch ein*e Partner*in zusammen zu bleiben, dann steht die Beziehung meistens sowieso erst mal auf der Kippe. Ob sie standhält, wird sich erst im Laufe der Zeit zeigen. Um die Beziehung nicht zu gefährden, planen und organisieren sich die meisten Solomüttertobe erst mal alles solo. Denn wenn die Partner*in kein Kind möchte, möchten sie ihre Partner*innen auch nicht mit Angelegenheiten um die Behandlung, Schwangerschaft oder Geburt konfrontieren. Vielen ziehen auseinander. Ein*e Partner*in, die kein Kind möchte, möchte vielleicht auch nicht mit einem Kind zusammen wohnen. Diese Solomüttertobe sind in der Planungs- und Schwangerschaftsphase sehr allein. Manchmal ist auch die Hoffnung noch da, dass die* Partner*in doch noch in die Elternrolle schlüpfen wird. Mit dieser Hoffnung sinkt aber ggf. auch die Bereitschaft, sich zu vernetzen und das eigene kleine Dorf zu errichten. Ich sage es nochmal, die meisten Beziehungen gehen hier in die Brüche. Dann kommt noch die Trauer um die Partnerschaft als zusätzlicher Belastungsfaktor neben dem Abschied vom klassischen Familienmodell hinzu.
ABER es kann auch funktionieren. Ganz wichtig sind hier gute transparente Absprachen und eine offene Kommunikation. Ein Beispiel hierfür zeigt uns Sarah, eine Solomama – schwanger durch einen Samenspender trotz Schwangerschaft.
Typ C
Manchmal lernte ich auch asexuelle oder aromantische Klient*innen kennen. Bei wenig oder keiner sexuellen oder romantischen Anziehung zu anderen Menschen oder bei fehlender Lust auf Sex kann Solomutterschaft eine Möglichkeit sein, eine Familie zu gründen und nicht auf ein Leben mit Kind verzichten zu müssen. Dieses Thema ist nicht ganz neu, dennoch liegt auch für diese Personen manchmal ein schweres Tabu auf dem Weg, den sie anstreben, weil sie sich dadurch auch „zwangsouten“ müssen.
Diese Klient*innen sind häufig etwas jünger als die anderen Klient*innen, denn ihnen wird schon relativ früh bewusst, dass ein Kind in einer Partnerschaft vielleicht eher nicht ihr Weg werden wird. In Prozenten sind das aber meiner Wahrnehmung nach nur 2%. Aber es gibt diese Personen und es ist völlig ok aus diesen Gründen den Weg der Solomutterschaft zu wählen.
Typ D
Diese Klient*innen habe ich noch seltener getroffen. Ehrlicherweise nur zwei. Dies sind die Klient*innen, die sagen: “Ja, Solomutterschaft – das ist total mein Weg. Ich will alles allein machen. Ich brauche dafür kein*e Partner*in. Ich mache das aus Überzeugung, weil ich daran glaube, dass wir keine Partner* für unsere Kinderwunscherfüllung benötigen. Mir war schon immer klar, dass dieser Weg total richtig für mich ist.” Diese Personen haben keinen Plan A zu betrauern, denn Solomutterschaft ist ihr Plan A. Das ist auch ok, das darf auch jeder so für sich entscheiden.
Zwischenfazit
Was will aber nun damit sagen: Das Hauptmotiv der Frauen, sich für diesen Weg zu entscheiden, ist der Wunsch nach einem Kind, nicht der Wunsch danach, ein Kind allein zu bekommen. Die allermeisten Personen, die diesen Weg gehen, müssen oder mussten ihren Plan A betrauern, verabschieden loslassen.
Single Mother By Choice trifft insofern nur auf ganz ganz wenige Personen zu, sondern eher Mother By Choice oder Choice Mom. Es geht eben meistens nicht darum, dass alles allein zu machen. Es geht darum, ein Kind zu bekommen. Denn Solomutterschaft bezeichnet unserer Definition nach die Familienform einer Person, “die einen alternativen Weg der Familiengründung wählt. Dabei trifft sie allein diese Entscheidung, unabhängig davon, ob sie sich in einer Partnerschaft befindet oder nicht. Sie entscheidet sich dafür, nicht mit dem biologischen Vater in einer festen Partnerschaft zu leben.
Egal für welche Form der Solomutterschaft sich die Solomuttertobe entscheidet, sie ist Solomutter, denn bei dieser Entscheidung und Umsetzung ist sie allein (ohne Plan-A-Partner*):
“Das Kind wird entweder durch Geschlechtsverkehr oder durch eine Samenspende gezeugt, die sowohl von einem anonymen Samenspender, einer Samenspende von einer Samenbank, einer offenen Privatspende, als auch von einem Co-Vater oder einem Väterpaar kommen kann.”
Solomutterschaft bezeichnet insofern den Weg zum Wunschkind. Es geht eben nicht um die Beziehungsbezeichnung während der Kinderwunscherfüllung.
Denn auch als Solomutter kann ich wieder ein*e Partner*in finden, dann bin ich aber unserer Definition nach immer noch Solomutter. Warum ist mir das so wichtig? Der Weg der Solomutterschaft ist mit vielen Tabus uns Stigmata besät. Viele meiner Klient*innen befürchten Sätze wie “Die hat wohl keinen abbekommen”. Viele meiner Klient*innen weinen und fragen sich “Was habe ich nur falsch gemacht, warum will mich keiner?”. Für viele meiner Klient*innen bedeutet der Weg der Solomutterschaft auch erst einmal das Bekennen zum eigenen Versagen. “Wenn ich das mache, dann wissen alle, dass ich es nicht geschafft habe.” Auch in Jennifers Artikel „KEINE SINGLE MOTHER BY CHOICE – 3 SCHRITTE ZUR SOLOMUTTER“ schreibt sie: “Also ja, die letzte Entscheidung, den Plan durchzuziehen, die war meine. Aber alle anderen davor, die habe ich nicht getroffen, weil ich es wollte, sondern weil ich keine andere Möglichkeit hatte. Ich habe mich nicht empowered gefühlt auf meiner Reise, ich habe mich wie die letzte Versagerin gefühlt. Ich habe das nicht selbstbestimmt durchgezogen, ich hatte keine andere Wahl.“
ABER:
Die Art und Weise, wie Menschen heute Beziehungen führen befindet sich im Wandel. Viele Menschen sind heute informierter, emanzipierter oder selbstbewusster. Früher blieben die Menschen zur eigenen Kinderwunscherfüllung viel länger in ihren Beziehungen (und trennten sich dann schlimmstenfalls später, als das Kind dann da war). Den*die richtige Partner*in zu finden, ist am Ende auch eine Frage des Zufalls.
Liebe Wunschmama oder Solomutter
Du hast nichts falsch gemacht. Solomutterschaft ist ein möglicher Weg. Du bist mutig und stark. Das klassische Traumprinz- & Traumprinzessin- Sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende-Gedöns- gibt es im Märchen, in der Realität meistens nur selten. Und darum sei stolz, dass Du Dich traust, einen Weg zu gehen, der noch etwas abseits der Heteronorm liegt und mit so einigen Herausforderungen bestückt ist.
Und genau darum brauchen wir auch Begriffe und Definitionen, wie jene zur Solomutterschaft. Unser Angebot der Definition der Solomutterschaft ist insofern auch als ein Beitrag zu verstehen, Stigmata über Solomutterschaft aufzulösen. Viele wissen anfangs gar nicht, dass es einen Begriff für ihr Modell gibt. Ich halte Singlemombychoice für nicht passend, denn die Entscheidung fiel (meistens) nicht darauf, ohne Partner*in Mutter zu werden, sondern Mutter zu werden. Und darum finde ich den Begriff Choice Mom oder Mother By Choice zutreffender.
Was ist Dein Begriff? Was sind Deine Motive? Bist Du eine Mother By Choice?
Egal welchen Begriff Du benutzt, wichtig ist, wie Du ihn belegst, reflektierst und bewertest.